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Kein Bad ohne Marlboro. Eine der Fotografien von Dieter Blum für das Wallstreet-Journal.

© Dieter Blum

Dieter Blum Ausstellung: Rauchende Boys statt rauchende Colts

Ein Mann, ein Hut, eine Kippe: Der Marlboro Mann ist Ikone. Dieter Blum fotografierte jahrelang als einziger Deutscher Versionen des Cowboy-Prototypen - teils dokumentarisch, teils kommerziell. Das Haus Huth zeigt jetzt Fotokunst von ihm.

Die halbhohen Saloontüren im Haus Huth führen nicht zu einer von Zigarettenrauch umwölkten Theke, sondern in eine Fotoausstellung. Zwar finden sich Gemeinsamkeiten zwischen dem Fotografen Dieter Blum und dem parallel in der Daimler Art Collection präsentierten Maler Adolf Fleischmann – beide wurden in Esslingen geboren und waren in den USA erfolgreich, beide mussten zeitweilig den Konflikt zwischen Handwerk und Kunst aushalten. Doch zwischen Fleischmanns abstrakten Gemälden und Blums für die Werbung fotografierten Cowboys liegen Welten. Beziehungsweise zwei geschickt platzierte Türflügel.

Dahinter lugt doch der Western-Mythos hervor. Abzüglich vieler Klischees, denn die Serie „Cowboys“ nimmt Abstand vom klassischen Kino. Die 57 ausgestellten Bilder des heute in Düsseldorf lebenden Fotografen bewegen sich zwischen Dokumentation und aufwendiger Inszenierung. 1992 reist Blum zu einem Probeshooting nach Seymore in Texas und arbeitet mit echten Rancharbeitern und Rodeoreitern zusammen. Die 70 Probeaufnahmen bringen ihm einen lukrativen Auftrag ein. Zehn Jahre macht er als einziger Deutscher Werbestrecken für Marlboro.

Der legendäre Marlboro-Mann existiert seit 1950, inspiriert von einer Bildreportage im „Life Magazine“. 13 Jahre später wurde die Marlboro-Country-Kampagne ins Leben gerufen, in der erstmals echte Cowboys mitspielten. „Die Marlboro Werbung bis 1992 war mir zwar bekannt“, sagt Dieter Blum, „aber viel zu orthodox fotografiert. Ich wollte die Cowboys auf Skiern zeigen; ich wollte sie in Badezuber stecken – verrücktes Zeug mit ihnen anstellen.“ Tatsächlich sind drei Badende mit Hut zu sehen, aus erhöhter Perspektive fotografiert, von der Wanne aus halten sie ihre Pferde am Zügel. Ein Kunststück, das ohne Anflug von Homoerotik zu inszenieren.

Rauchende Boys statt rauchender Colts

Blums Viehtreiber prügeln sich nicht, und sie liefern sich auch keine Pistolenduelle. Rauchende Boys statt rauchender Colts. Sechs hochformatige Teleaufnahmen – jeweils ein Pferd mit Reiter als abendliche Silhouette – evozieren das Bild vom „Lonesome Rider“. Das zugleich konterkariert wird durch Serialität. Im Grunde ist es ein Gruppenbild mit sechs Sonnenscheiben. Blum zeigt die Arbeitswelt der wettergegerbten Kettenraucher zwar in schönstem Licht, doch nicht jenseits rauer Realitäten. Der Fotograf gaukelt auch keine unberührte Landschaft vor: Im Marlboro Country der Neunziger gibt es Städte, Straßen, Autos. Und: Verkehrsregeln, Ampeln, Ross und Reiter, die geduldig aufs Signal warten.

Allerdings: Die Ausstellungsbilder sind nicht identisch mit den späteren Werbemotiven, die Blum fotografierte. Im Haus Huth sind Aufnahmen zu sehen, die zwei Jahrzehnte im Archiv schlummerten und nun im Auftrag der Daimler-Sammlung vergrößert wurden. Wie alle Fotografen für die 2005 eingestellte Kampagne des Philip-Morris-Konzerns musste sich Blum an werbestrategische Vorgaben halten. Von der Auftragsfotografie, auch für Zeitschriften wie „Stern“, „Spiegel“ oder „Vanity Fair“, hat sich Blum heute verabschiedet. Seit er 1964 als Freelancer begann, hat er ohnehin immer wieder auf eigene Faust gearbeitet. Seine große Leidenschaft gilt Musik, Tanz und Kunst. Blum hat zwei Bildbände über die Berliner Philharmoniker herausgebracht, einen weiteren zur Arbeit des Choreografen Vladimir Malakhov.

Das Faszinierende: einfach nur Marlboro

Von Blums Fotos heißt es nun bei Daimler, dass sie „wenig später das ‚Material‘ der berühmten Cowboy-Fotos von Richard Prince – und somit auch auf Umwegen für den Kunstkontext relevant“ gewesen seien. Das ist doppelt missverständlich, denn der Appropriations-Künstler hatte die Marlboro-Werbung bereits ab 1980 „refotografiert“, zwölf Jahre vor Blums Einstieg. Wie fast alle seine Kollegen ärgerte er sich über die stellaren Auktionsgewinne der Prince-Werke. Der Schweizer Fotograf Hannes Schmid nahm es leichter: „Dass solche Bilder jemals in Museen kommen würden, hätte ich mir nie erträumt. Dank Richard Prince hat der Marlboro-Mann zudem ein Revival in einer ganz anderen Art, nicht mehr in dem heute anrüchigen Tabak-Bereich, sondern losgelöst davon in der Kunst sein Existenzrecht gefunden.“

Dieter Blum reklamiert den Kunstcharakter jedoch auch für seine eigene Arbeit. Als er zuletzt gefragt wurde, was das Faszinierende am Cowboy-Mythos sei, antwortete er: „einfach nur Marlboro“. Ernüchternd fügte er hinzu: „Die haben den Cowboy zum Mythos gemacht und damit auch meine Bilder. In Wirklichkeit ist es erstens ein aussterbender und zweitens ein schlechter, ganz miserabel bezahlter Beruf. Cowboys müssen von morgens fünf bis nachts um zehn arbeiten.“ Dazu die chronische Bronchitis. Man möchte mit den Jungs nicht tauschen.

Daimler Contemporary Berlin, Alte Potsdamer Straße 5, bis 6. November; Montag bis Sonntag 11–18 Uhr

Jens Hinrichsen

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