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Kultur: Digitale Fotografie: Alles Fassade

Heidi Specker gehörte zu den ersten Künstlerinnen und Künstlern, die für ihre fotografischen Arbeiten ebenso ungeniert wie konsequent Methoden digitaler Bildverarbeitung einsetzten. Architekturaufnahmen, vielfach Fotografien von Funktionsbauten der sechziger und siebziger Jahre in Berlin-Mitte oder Details ihrer Fassadenreliefs aus Waschbeton, sind längst zum Markenzeichen der Berlinerin geworden.

Heidi Specker gehörte zu den ersten Künstlerinnen und Künstlern, die für ihre fotografischen Arbeiten ebenso ungeniert wie konsequent Methoden digitaler Bildverarbeitung einsetzten. Architekturaufnahmen, vielfach Fotografien von Funktionsbauten der sechziger und siebziger Jahre in Berlin-Mitte oder Details ihrer Fassadenreliefs aus Waschbeton, sind längst zum Markenzeichen der Berlinerin geworden. Ihre Fotovorlagen bearbeitet sie am Computer mit verschiedenen Bildprogrammen: Konturen werden so rundgeschliffen, Ecken und Kanten weichgezeichnet; die Farben erscheinen auf dem fertigen Bild ein wenig zu perfekt, um wahr zu sein.

Die Galerie Barbara Thumm stellt eine neue Werkgruppe vor. Doch dem mit Speckers Arbeiten vertrauten Betrachter wird das eine oder andere Motiv der Lambdaprints auf Aludibond bekannt vorkommen. Gleich am Eingang hängt die "Strahlendecke" (32 000 Mark). Die nun vierteilige Arbeit basiert auf einer bereits früher von Specker verwendeten Aufnahme, die das Trägergerüst eines verglasten Lichtschachts aus Armiereisen zum geometrischen Rapportmuster reduziert. Specker hat das Ausgangsbild jetzt in lange und schmale Bildstreifen unterteilt und raffiniert abgestimmt auf den Rhythmus des Dekors übereinander angeordnet. Bereits die Arbeitsweise am Computer mag das Klonen variieren und in diesem Fall Verfeinern von Bildversatzstücken nahelegen. Doch wird Specker aufpassen müssen, dass ihre Bildproduktion nicht zur Routine erstarrt. "Kubismus" nennt sie eine weitere Arbeit, die man aus der Distanz für ein Gemälde halten könnte. Tatsächlich liegt dem schier endlosen Flächenmuster aus Rechtecken und Würfeln das im Bauhaus-Archiv fotografierte Gipsmodell eines Hochreliefs zugrunde. Beiden Werken zwischengeschaltet hat sie, wie schon in Köln, "Chicago Metallic-Intervention - Executive Grey": eine nun tatsächlich skulpturale Wandverkleidung aus handelsüblichen, mit kleinteiligem Lochmuster versehenen Deckendämmplatten. Das im ersten Moment verblüffende, im zweiten recht banale Vexierspiel zwischen Sein und Schein soll "als musterhaftes Beispiel einer Raumsituation" dienen.

Der erste Ausstellungspart istabstrahiert und minimalistisch. Auf diese aus Architekturfragmenten herausgefilterten, geometrischen Strukturen folgen Ansichten auf Gebäude. Für "TB Outside" und "TB Inside I+II" (9000 Mark) fotografierte Specker in Chicago einen von Mies van der Rohe entworfenen Wolkenkratzer: Fassadenansicht, Fensterausblicke über Fensterbrett und ein Stück Heizung auf die gegenüberliegende Hochhauswand. Subjektive, wie zufällig und ganz nebenbei mit aufgenommene Ausschnitte einer vermeintlich objektiven Wirklichkeit. Was an Speckers Arbeiten immer wieder auffällt und irritiert, ist die Spannung zwischen extremer Künstlichkeit und dem malerischen, bisweilen sogar romantischen Charakter ihrer digitalen Bilder. Einige Regentopfen, die von den Scheiben perlen, genügen, sie zu unterstreichen. Ansonsten prägt auch in einer Architekturikone der Moderne Anonymität und profane Alltäglichkeit die Aussicht.

Doch Specker geht es um mehr als das Sammeln und Sampeln von Realitätsschnipseln. Die Bilder ihrer Retorten-Architektur, ihres aus fragmentarischen Bildern gepuzzelten Stadtporträts beanspruchen als Gedankengebäude Modellcharakter. Sie will etwas anderes aufzeigen: Sichtmuster und Wahrnehmungstrukturen. "Die Struktur der Stadt dient als Metapher für andere Systeme" sagt Heidi Specker: "Mich interessieren die Parallelen zwischen dem Aufbau eines Körpers, eines Hauses, eines Rechners."

Elfi Kreis

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