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Oliver Reese, Intendant des Berliner Ensemble, bei einem Pressegespräch 2020.

© dpa/Britta Pedersin

Digitalprojekt „Spielräume!“: BE-Intendant Reese: „Es macht Spaß, ich bin angefixt“

Das Berliner Ensemble ist beim Digitalprojekt „Spielräume!“ beteiligt. BE-Intendant Oliver Reese über VR-Brillen, digitale Zuschauerbeteiligung und gestreamte Klassiker.

Oliver Reese, Jahrgang 1964, ist seit der Spielzeit 2017/18 Intendant des Berliner Ensembles, sein Vertrag wurde inzwischen bis 2027 verlängert.

Herr Reese, warum ist eine digitale Erweiterung des Theaters notwendig?

Weil wir nicht erst seit Corona wissen, dass es zu wenig befriedigenden Ergebnissen führt, wenn man eine Aufführung einfach nur aus dem Saal abfilmt. Für das kulturelle Gedächtnis ist es wichtig, Jürgen Goschs „Onkel Wanja“ oder Hans Neuenfels‘ Frankfurter „Aida“ im Archiv gesichert zu haben. Es geht jetzt aber vor allem darum, neue Wege der Publikumsbeteiligung und des Immersiven zu erarbeiten. Und wir wissen noch nicht, wohin diese Wege uns führen. Gerade das finde ich aufregend: dass ein Schauspielhaus und ein Opernhaus ihre eingefahrenen analogen Bahnen verlassen und sich mit Digital-Partnern etwas Neues ausdenken und sich öffnen. Und dass die Bundeskulturstiftung solche ergebnisoffenen Projekte anschiebt und ermöglicht.

Das Projekt läuft seit Herbst. Haben Sie schon etwas gelernt?

Oh ja, Barrie Kosky und ich, wir zwei Old-School-Typen, haben bereits mit großem Vergnügen gemeinsam mit den jüngeren Projektleiter:innen herumgesponnen. Es ist wichtig, dass wir Leute ins Theater hereinholen, die andere künstlerische Erfahrungen mitbringen, Digital-Expertise, Game-Erfahrung. Ich habe noch nie in meinem Leben ein Computerspiel gespielt, bin auch gar nicht der Typ dafür. Inzwischen hatte ich VR-Brillen auf, habe Virtual Reality im Netz gesehen und hybride VR-Livedarstellungen erlebt. Und ich weiß jetzt, was Game Jams sind. Es macht Spaß, ich bin angefixt.

Wie können solche Erlebnisse auf die Bühne zurückwirken?

Es geht nicht um Video-Elemente in analogen Inszenierungen, das kennen wir ja schon sehr lange. Wir wollen ganz eigene digitale Formate entwickeln. Ein gelungenes Beispiel: wie das Burgtheater mit Michael Maertens ein Solo-Programm zum Thema „Ewiges Leben“ gemacht hat. Es baute auf Selfies und Videos auf, die von Zuschauerinnen und Zuschauern eingesandt wurden; mit den Eigenanteilen des Publikums wurde aus dem Solo dann eine Begegnung im Netz. So etwas kann gar nicht ausschließlich analog stattfinden.

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Das Online-Angebot auf der BE-Webseite ist bereits groß, mit digitalem Theatertreff, projektbegleitenden Filmen, Backstage-Gesprächen…

… und gerade sind wir bei der Arbeit an Ersan Mondtags Inszenierung von Thomas Köcks Version des „Ring des Nibelungen“ mit einem externen Filmteam zusammen, das eine vierteilige Webserie zur Inszenierung produziert, um den Zuschauer:innen Einblicke in die Theaterarbeit zu geben. Das wird begleitend zur Premiere online gehen.

Wie nimmt das Publikum das Online-Angebot des Theaters an?

Wir stellen auch Inszenierungseinführungen und Nachgespräche ins Netz, das schauen sich bis zu 2000 Menschen an. Früher hat man vor vielleicht 50 Leuten geredet. Und unsere „Stimmen aus dem leeren Theater“ haben je bis zu 20.000 Klicks, insgesamt über 100.000. Viele bleiben vielleicht nicht bis zum Schluss, aber ganz offensichtlich stoßen die Angebote auf große Neugier und Interesse.

2020 stellten Sie auch BE-Klassiker ins Netz, etwa Brechts eigene Inszenierung von „Mutter Courage“. Warum finden die sich nicht mehr auf der Seite?

Alles, was von der technischen Qualität her gut genug war, haben wir gezeigt. Bei einigen Klassikern gibt es Rechteprobleme; die zeitliche Begrenzung bei den anderen hat einfach mit den Kosten zu tun. Für die Streamingrechte fallen zum Teil erhebliche Summen an, auch deshalb, weil wir die Stücke nicht zu nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder nur für 24 Stunden freischalten wollten, sondern für einen längeren Zeitraum. Nur so kann es sich rumsprechen. Wir würden das gerne fortsetzen, aber jetzt sind erstmal alle Fundstücke ausgegraben.

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