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Kultur: Dilemma einer Aufführung

Es ist eine verworrene Geschichte mit Robert Schumanns Violinkonzert: 1853 komponiert, hat es Joseph Joachim, der Widmungsträger, niemals gespielt.Ja, nach Schumanns Tod hielten seine Witwe Clara und Joachim gar die Partitur zurück: "Eine gewisse Ermattung, welcher geistige Energie noch etwas abzuringen sich bemüht" - auf diese Formel brachte der Geiger die Bedenken gegenüber der Komposition.

Es ist eine verworrene Geschichte mit Robert Schumanns Violinkonzert: 1853 komponiert, hat es Joseph Joachim, der Widmungsträger, niemals gespielt.Ja, nach Schumanns Tod hielten seine Witwe Clara und Joachim gar die Partitur zurück: "Eine gewisse Ermattung, welcher geistige Energie noch etwas abzuringen sich bemüht" - auf diese Formel brachte der Geiger die Bedenken gegenüber der Komposition.Wie auf vielen Spätwerken Schumanns lastet auch auf dem Violinkonzert das Verdikt des Mißlungenen, der beginnenden geistigen Umnachtung.So wurde das Werk erst 1937 von Georg Kulenkampff, Karl Böhm und dem Berliner Philharmonischen Orchester uraufgeführt - im Anschluß an eine Rede von Goebbels: Die Nationalsozialisten hatten versucht, für das plötzlich verfemte Mendelssohn-Konzert in dem Schumannschen Ersatz zu finden.Auch heute noch selten gespielt, stellten nun Thomas Zehetmair und Lothar Zagrosek (der für Wolfgang Sawallisch als Dirigent eingesprungen war) mit den Philharmonikern das Werk erneut zur Diskussion.

Die Interpreten haben Schumanns Partitur genau studiert - sie halten sich an die Anweisungen des Komponisten, verwirklichen auch die vorgeschriebenen Metronomzahlen exakt.Doch die sind viel langsamer, als man es von jeder anderen Aufführung gewohnt ist.Der erste Satz zerfällt förmlich ins Rhapsodisch-Episodische, und die Polonaise des Finales ist kaum noch als solche zuerkennen - so behäbig, fast ein bißchen schlafmützig ziehen die eigentlich doch so munter hüpfenden Rhythmen vorbei; einzig dem innigen Gesang des zweiten Satzes steht das langsame Tempo gut an.So wirkt das Werk zerklüftet, in sich unversöhnt - nicht zuletzt wohl auch wegen des ein wenig nüchternen Tones, den Zehetmair auf seiner Geige anschlägt.Man kann diese Interpretation wohl kaum gelungen nennen, doch sie zeigt ein Dilemma auf: allzu große Texttreue führt, zumindest was die Tempi betrifft, in diesem Fall zu keinem befriedigen Ergebnis.Es darf weiterhin nachgedacht werden über dieses merkwürdige Konzert mit seiner bizarren Geschichte.

Erledigten die Philharmoniker ihre Begleitaufgabe bei Schumann mehr oder minder pflichtbewußt, so konnten sie bei Max Regers "Romantischer Suite" Opus 125 (1912) und Paul Hindemiths Symphonie "Mathis der Maler" (1934) ihre ganze Meisterschaft zeigen: Während bei Reger ein Gewebe polyphoner Linien aus vielerlei irisierenden Mischfarben der Bläser und Streicher zu hören war - ganz romantischer Stimmungszauber nach Eichendorff -, so bei Hindemith eine lebhafte Klangphantasie über drei Tafeln des von Matthias Grünewald geschaffenen Isenheimer Altars.Den Blechbläsern gebührt ein Extralob, ebenso wie Lothar Zagrosek, dem musikalischen Leiter der Stuttgarter Staatsoper, der das von Wolfgang Sawallisch übernommene Programm sehr gut einstudiert hatte.Vielleicht kann man ihn in Zukunft öfter einmal am Pult der Philharmoniker erleben?

Noch einmal heute abend um 20 Uhr

GRGOE SCHMIDT-STEVENS

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