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Dillon im Heimthafen Neukölln: Einfach mal die Plätze tauschen

Dillon, die 25-jährige Wahlberlinerin mit brasilianischen Wurzeln, konnte mit ihrem ersten Album einen Instant-Erfolg landen. Um so neugieriger war man auf ihre Live-Konzert im Heimthafen Neukölln.

Dicker Nebel zieht über die Bühne. Zwei blaue Fluter strahlen Dominique Dillon de Byington alias Dillon und ihren DJ von hinten an. Über ihnen treffen sich die Lichtkegel, was ein hübsches Dreieck ergibt. Die Gesichter und Körper der beiden schwarz gekleideten Musiker bleiben die meiste Zeit im Dunkeln. Als stünden zwei Gespenster im Heimathafen Neukölln. Die Performance sitzt allerdings, die Soundeffekte auch, vom Herrenchor über harte Beats bis zur Tuba. Etwas menschliche Wärme und Kommunikation wären jetzt gut. Mehr als ein knappes Dankeschön aber kommt Dillon nicht über die Lippen. Das Publikum reagiert mit verhaltenem Applaus und Geplapper.

Dillon macht keine Stehkonzertmusik und will sich auch nicht zwischen ruhigem Songwriter-Chanson und Techno-Bumbum entscheiden. Ihr Set würde besser als Live-Session in einem Club funktionieren, oder eben in einem bestuhlten Saal. Doch dann geschieht etwas Sonderbares. Die Musiker tauschen die Plätze, der DJ entpuppt sich als passabler Pianist und Dillon, die 25-jährige Wahlberlinerin mit brasilianischen Wurzeln, deren erstes Album ihr einen Instant-Erfolg bescherte, tritt an den Bühnenrand, lässt sogar ihr Gesicht beleuchten. Mit dieser Offensive hat keiner gerechnet. Als sie ihr Publikum auffordert, zu singen, stecken die Leute tatsächlich ihre Handys weg und hören auf, sich gegenseitig ins Ohr zu brüllen. Fast alle singen mit.

Die zweite Konzerthälfte ist weiter geprägt von reservierter Attitüde und blauer Finsternis, zumindest aber ist Energie zu spüren in diesem schönen, alten Ballsaal. Dillons Stimme wird kräftiger, bei Songs wie „Your Flesh Against Mine“, „This Silence Kills“ oder „In Silence“ vom neuen Album „The Unknown“ lässt sie den kindlichen Gummiknatsch in ihrer Stimme weg und singt mit ihrem klaren, voluminösen Sopran. Beim Verbeugen zum Schluss ist Dillon dann wieder ganz Gespenst, kein Lächeln will ihr über die Lippen. Stattdessen guckt sie zu ihrem DJ, an dessen Arm sie sich festhält. Ist ihr schlecht, ist sie genervt oder einfach nur schüchtern?

Lose the attitude, würde man Dillon gerne zurufen. Der Musik wird es nicht schaden.

Anne Sophie Balzer

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