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Melodieverliebt. DJ Steffi kam aus den Niederlanden nach Berlin und legt in der ganzen Welt auf. Am liebsten House Music.

© Lisa Swarna Khanna

DJ Steffi und ihr Album Power of Anonymity: Zeig mir deine Plattentasche

Steffi ist Resident-DJ im Berghain. Sie legt Silvester auf und hat gerade ihr zweites Album veröffentlicht.

Das Albumformat hatte es in der elektronischen Tanzmusik noch nie leicht. Was zählt ist der einzelne Track, die DJ-Ware für den Dancefloor. Versuchen sich Techno- oder Houseproduzenten dann doch einmal an einem Album, kommt oftmals nicht viel dabei heraus. Entweder es wird einfach ein Clubhit an den anderen gereiht, was ebenso wenig ein rundes Album ergibt wie elf Stürmer eine homogene Fußballmannschaft. Oder es wird versucht, etwas völlig anderes zu produzieren – Ambient oder etwas Poppiges, um mit dem Stilwechsel die Entscheidung für das lange Format zu legitimieren. Das Ergebnis ist oft hörbare Selbstverleugnung.

Rundum gelungene Technoalben, die einen auf eine musikalische Reise mitnehmen, wie das ein DJ-Mix im besten Falle tut, sind rar. Der in Berlin lebenden Niederländerin Steffi Doms, die sich als DJ nur Steffi nennt, ist mit ihrer gerade erschienenen zweiten Platte „Power of Anonymity“ ein solches Ausnahmewerk gelungen. Sie versammelt Clubmusik in all ihren Schattierungen: klassischer Detroittechno, House, Electro. Das Werk verweist in alle nur denkbaren Spielarten der elektronischen Tanzmusik, ohne dabei auseinanderzufallen oder wie eine angeberische Leistungsschau zu klingen. Und so findet sich Steffis Album berechtigterweise in diversen Jahresendpolls von DJs und der Fachpresse.

Sie ist 40 und weltweit gut gebucht

Steffi ist als DJ weltweit anerkannt, seit sieben Jahren ist die Holländerin Resident im Berliner Club Berghain. Als Produzentin blieb sie hingegen bislang eher unauffällig. Ihr Debütalbum „Yours & Mine“ erschien vor drei Jahren, da war Steffi 37 Jahre alt. In der Frühzeit des Techno hätte man sich kaum vorstellen können, dass man in diesem Alter überhaupt noch etwas mit dieser Musik zu tun haben könnte. Heute gilt 50 als akzeptables DJ-Alter und auch der Berghain-Resident Nick Höppner wird demnächst sein erstes Album veröffentlichen und dabei die 40 schon ein gutes Stück überschritten haben.

Steffi ist selbstbewusst genug, um die Altersfrage locker an sich abprallen zu lassen. „Dass ich immer noch so gut dabei bin, zeigt doch vor allem, dass ich irgendetwas richtig gemacht haben muss“, sagt sie im Besprechungszimmer des Berghain, ganz oben im Club. Sie spricht von Leidenschaft und Qualität, zwei Faktoren, die bei ihrem Job eine Rolle spielten und die sie eben bis heute fest im Blick habe. Sie klingt, als sehe sie sich wie ein Fels in der Brandung.

Tatsächlich ist die Szene der elektronischen Tanzmusik in den letzten Jahren noch wahnsinniger und schnelllebiger geworden. Ein gigantisches Geschäft mit Hypes, Mega-Gagen für DJ-Stars, One-Hit-Wonders und sehr viel Unsinn, wie man das auch vom normalen Mainstreampop her kennt. In all diesem Treiben behauptet sich das Berghain und alles um den Club herum als Premiummarke, bei der Werte wie Beständigkeit noch etwas gelten.

Steffi legt gern House und melodiösen Techno auf

Steffi legt immer noch hauptsächlich Vinyl auf und stöbert im Plattenladen nach guter Musik, ganz wie vor dem Beatport-Zeitalter und vor der ganzen Software, die dem Digital-DJ das Mixen erleichtert. Wer einen Konservatismus dieser Art pflegt, demonstriert, dass er es gar nicht nötig hat, jedem Trend der Branche hinterherzurennen. Das Wesentliche, sagt Steffi, seien auch heute nicht die Likes auf dem Facebook-Profil eines DJs, sondern schlicht die Musik, für die er steht. „Was legst du auf? Was hast du dabei zu erzählen? Diese Fragen zu beantworten, ist immer noch das Wichtigste beim DJing“, glaubt sie.

Steffi legt gerne House auf, melodiöseren Techno, Disco und wenn es die Situation zulässt, auch mal ein Popstück. Ihr Promoter nennt sie deshalb auch liebevoll „Hitschlampe“. Die Holländerin sagt zwar, Produzieren und Auflegen seien für sie zwei komplett unterschiedliche Dinge, dennoch hört man eindeutig diese musikalischen Vorlieben von DJ Steffi aus ihrer Platte „Power of Anonymity“ heraus. Sie gibt dann auch zu, dass eine ihrer wesentlichen Motivationen bei der Produktion war, etwas zu kreieren, „das ich mir selber gerne in meine DJ-Tasche packen würde.“ So fremd sind sich die auflegende und die produzierende Steffi nicht.

Aber eine Balance zu finden zwischen den beiden, ist trotzdem nicht einfach. Wenn man als DJ so gut wie jedes Wochenende irgendwo in der Welt an den Reglern steht, ist es gar nicht so leicht, überhaupt die Zeit für die Arbeit im Studio zu finden. Steffi hat deswegen im Juni und Juli keine Bookings angenommen, um sich voll auf die Arbeit am Album konzentrieren zu können.

Ihr Ding zieht sie ohne Kompromisse durch

Entweder ganz oder gar nicht also. Diese Haltung passt zu einer Frau, die von sich selbst sagt, sie habe in ihrem Beruf schon immer ohne Kompromisse einfach ihr Ding durchgezogen. Dass sie damit Erfolg hat, ist noch immer keine Selbstverständlichkeit in einer Branche, deren Frauenquote selbst CSU-Politiker beschämen würde. Zwar gibt es Szenestars wie Ellen Allien und Miss Kittin. Doch wie das Netzwerk Female Pressure im vergangenen Jahr festgestellt hat, beträgt der durchschnittliche Anteil von Frauen auf Festivals mit elektronischer Musik nur zehn Prozent, bei Labelveröffentlichungen 9,3 Prozent. Auch von den über 20 Acts, die vom Booking des Berghain vertreten werden, sind gerade Mal drei weiblich. Dennoch schaut Steffi mit festem Blick, wenn man ihr mit dieser Mann-Frau-Sache in der DJ-Branche kommt. Sie sagt: „Ich habe mich damit nie beschäftigt. Ich habe mich auch nie irgendwo reinboxen müssen. Ich hatte immer nur mein Ziel im Auge und habe das stur verfolgt. Es tut mir auch leid, dass andere Frauen um ihren Platz kämpfen mussten, ich musste das nie.“

Und jetzt gehört Steffi dank ihres bewundernswerten Glaubens an die Kraft des schieren Willens auch noch zu den herausragenden Techno- und Houseproduzenten des Jahres. Unter den Produzenten ist die Frauenquote übrigens noch mieser als bei den DJs. Aber das interessiert Steffi erst recht nicht.

„Power of Anonymity“ ist bei Ostgut Ton erschienen. Steffi legt am 31.1. und am 3.1. in der Panorama Bar des Berghain auf.

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