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Dmitrij Kitajenko

© Gert Mothes/Konzerthaus Berlin

Dmitrij Kitajenko beim Konzerthausorchester: Russendispo

Wie man einen beseelten Augenblick kreiert: Dmitrij Kitajenko und das Konzerthausorchester mit Tschaikowsky und Schostakowitsch.

Ein vorausschauendes Dirigieren, ein Interpretationsansatz, der schon bei den ersten Noten den Schlusstakt mitdenkt: Disposition ist alles. Dmitrij Kitajenko beherrscht diese Kunst des weiten gedanklichen Bogens: Seit fünf Jahrzehnten steht er auf der Bühne, gerade hat er einen grandiosen Tschaikowsky-CD-Zyklus mit dem Kölner Gürzenich-Orchester abgeschlossen. Und auch beim Konzerthausorchester vollbringt er Wunderdinge. Indem er in der vierten Sinfonie seines Landsmannes nichts überstürzt. Gerade Tschaikowskys Musik verleitet Dirigenten ja dazu, ihr Pulver zu schnell zu verschießen. Weil sie keinen akademischen Bahnen folgt, sondern sich in freier Klangrede verströmt. Kitajenko nimmt also das Streicherthema des Kopfsatzes verhaltener als üblich, um die folgenden Steigerungen effektvoller aufbauen zu können. Er weiß auch, wie man immer mal wieder Druck aus der hochemotionalen Sache nimmt, ohne dass der Spannungsfaden abreißt. Das elektrisiert das Publikum – und animiert das Orchester zu Bestleistungen. Nach den traumschönen Holzbläsersoli des Andantino applaudiert Kitajenko den Instrumentalisten mit dem Taktstock in der Handfläche.

Dieser Maestro kann Musik geschehen lassen, den beseelten Augenblick kreieren. Weil er detailbesessen arbeitet, auch in Mussorgskys „Nacht auf dem kahlen Berge“ bei aller Wildheit der Hexensabbat-Fantasie durchweg höchste rhythmische Präzision einfordert, klangliche Akkuratesse in allen Instrumentengruppen. In Schostakowitschs 1. Cellokonzert kommt mit Tanja Tetzlaff eine Solistin hinzu, die in den Ecksätzen das Schroff- Expressionistische der Partitur in selbstbewusstes Sägen umsetzt, im Mittelteil aber das Porträt eines unter sowjetischer Kunstdiktatur leidenden Komponisten zeichnet.

Innere Emigration wird da hörbar, der Versuch, so wenig wie möglich Privates preiszugeben. Doch der misslingt, ebenso wie ein Fluchtversuch ins unverfänglich Volksliedhafte: Mit umso größerer Vehemenz bricht der Schmerz sich Bahn. Bewegend.

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