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Documenta 12

© dpa

Documenta 12: Ein Treibhaus voller Kunst

Nicht Hochhausbau oder Pflanzenzucht sind Ursachen einer geplanten Verwüstung, sondern Kunst: In Kassel wird vor Beginn der Documenta 12 noch an allen Ecken gewerkelt.

Kassel - Vor der Kunst kommen die Bagger. Unbarmherzig rissen gewaltige Maschinen im Frühjahr den barocken Garten vor der Kasseler Orangerie auf, am klassizistischen Schloss Wilhelmshöhe machen derzeit Planierraupen und Trecker aus dem akkurat gepflegten Rasen einen trübbraunen Acker.

Das betrifft nicht nur die Stadtplaner, die die Dutzende Baustellen in Kassel bis zum Ausstellungsbeginn am 16. Juni zumindest provisorisch fertig haben wollen. Während der 100 Tage soll keine Grube und keine Baustellenampel die erwarteten 650.000 Besucher aus aller Welt von der Kunst ablenken. Die spektakulärsten Baustellen kommen jedoch von der "d12" selbst. Das betrifft vor allem den Auepavillon, für den im Barockpark mitten in der Innenstadt das Grün auf gut 10.000 Quadratmetern aufgerissen wurde. In wenigen Wochen entstand hier aus Gewächshausteilen der wichtigste Ausstellungsort der Documenta.

Außen "Gewächshaus" - innen künstlerische Atmosphäre

Von außen entspricht der Bau vor der 300 Jahre älteren Orangerie einem Treibhaus und mittlerweile spricht selbst Documenta-Chef Roger Martin Buergel von "dem Gewächshaus". Doch innen bemühen sich die Künstler um Atmosphäre. Wie andere Aussteller auch will Buergel weg vom "White Cube", dem üblichen hellen - angeblich neutralen - Ausstellungsraum. Und vor der überstrapazierten Fabrikhalle als Galerie graust es ihm seit langem. "Es ist Zeit für etwas Neues", hatte der sonst betont ruhige Buergel entnervt gesagt. Zudem hat die documenta mit alten Werkhallen schlechte Erfahrung gemacht: Bei der letzten vor fünf Jahren wellten sich die Bilder zum Entsetzen der Künstler an den feuchten Mauern.

Buergel will so viel Neues, dass auf der Documenta zum ersten Mal in ihrer 52-jährigen Geschichte auch Altes gezeigt wird: Die Schau präsentiert Werke aus früheren Epochen, etwa 700 Jahre alte Teppiche aus dem afrikanischen Mali. Ansonsten scheint Buergel auf neue Gesichter statt auf Markt, auf Originalität statt auf Spektakel zu setzen. Er sucht "in der Peripherie", in Südamerika, Afrika und Asien. So holte Buergel zum Beispiel Ai Weiwei nach Kassel. Der Chinese will gleich noch 1001 Landsleute mitbringen, als lebendes Kunstwerk namens "Fairytale". Sanja Ivekovic will den großen Friedrichsplatz vor dem Fridericianum - jahrzehntelang Hauptausstellungsort der Documenta - in ein blühendes Mohnfeld verwandeln. Und der Thailänder Sakarin Krue-On will auf 7000 Quadratmetern Terrassen in den Wilhelmshöher Bergpark planieren und Reis anbauen lassen - der Grund für die Traktoren vor dem klassizistischen Schloss.

Ob Kassel einzelne Kunstwerke behalten wird?

Die Kasseler lieben die Großprojekte und zeigen stolz die seit 1982 im Fuldaufer steckende riesige Spitzhacke von Claes Oldenburg. Und der 25 Meter hohe gen Himmel stürmende "Man walking to the sky" von Jonathan Borofsky wurde nach der Documenta 1992 nicht nur mit dem Spendengeld Kasseler Bürger angekauft, sondern auch gleich direkt vor dem Hauptbahnhof aufgestellt. Ob in diesem Jahr etwas zurückbleibt ist ungewiss, ja unwahrscheinlich. Zu oft betont Buergel die Vergänglichkeit des "Museums der hundert Tage".

Dabei kokettiert der Documenta-Chef gern mit Vergleichen zur ersten Documenta, die 1955 nur ein Beiprogramm zu einer Bundesgartenschau war. Die Plakate, die derzeit bundesweit für die Ausstellung werben, zeigen ausschließlich Blumen in der Totalen, aufgenommen mit einer kaputten Kamera. "Das Motiv "Blume" macht klar, dass sich Schönheit und Dauer nicht vertragen. Und dass auch die Documenta nur 100 Tage bleiben kann", erklärt er die fast bieder wirkenden Plakate.

Kontroverse um Investitionen für d12

Selbst der "Auepavillon", direkt vor der denkmalgeschützten Orangerie, verschwindet im Herbst restlos wieder. Die Idee, für nur 100 Tage einen drei Millionen Euro teuren Bau in den Barockgarten zu setzen, traf in einer Stadt mit einer Spitzenquote an Hartz-IV- Empfängern nicht auf ungeteilte Gegenliebe. Doch Ende September ist das Gewächshaus Kunstgeschichte, ebenso wie das Mohn- und das Reisfeld. Wenn es die denn überhaupt geben wird: Krue-On warnte schon, dass Nordhessen eventuell für Reis zu feucht und zu kalt ist. Und auch das Mohnfeld mitten in der Stadt sehen viele skeptisch: Zu sehr hatten sich die Kasseler Tauben und Krähen für die Saat interessiert. (mit dpa)

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