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Zeugnisse der Geschichte. Menschen und ihre verlorenen Kunstwerke.

© Modofilm

Doku „Lost Art“ im Kino: Menschen und Bildern auf der Spur

Auf den Spuren von vier jüdischen Sammlerfamilien: Tilman Urbachs „Lost Art“ ist ein kleiner Film zum großen Thema NS-Raubkunst.

Der bei München lebende Dokumentarfilmer Tilman Urbach hatte ursprünglich nur „ein Künstlerporträt meines Großonkels Josef Urbach“ geplant. „Aber in den Begegnungen mit Nachfahren der jüdischen Sammlerfamilien“, erzählt der Regisseur, „wurde es mehr und mehr zu einem politischen Film.“

Im Vordergrund geht es um den aus Neuss stammenden Maler und Graphiker Josef Urbach (1889–1973). Er gehörte in seinen Anfängen zur expressionistischen Gruppe „Das Junge Rheinland“. Urbach war dabei kein politischer Künstler, später auch nie NS-Parteigänger, gleichwohl blieb er nach 1933 Professor an der Folkwang-Schule in Essen. Doch ab 1937, als Hitler und Goebbels auch ihre Kulturpolitik weiter radikalisierten, wurden Urbachs durchaus gemäßigt expressionistischen Bilder als „Entartete Kunst“ aus öffentlichen Sammlungen entfernt.

Der Großneffe stößt nun 80 Jahre später bei seiner Recherche auf vier jüdische Großbürgerfamilien, die zu Beginn der 1920er Jahre in Essen Josef Urbach unterstützt, gesammelt und sich von ihm sehr feinsinnig hatten porträtieren lassen. Viele dieser Werke sind verschollen, einige der Auftraggeber konnten emigrieren und den Holocaust überleben, etliche wurden ermordet. Ihre Habe, auch ihr Kunstbesitz wurden von den Nazis meist requiriert, und so kamen dann auch die in den Weiterverkauf involvierten Kunsthändler mit ins traurige Spiel. Als Bewahrer manchmal, als Nutznießer allemal. Der heute noch bekannteste hieß Hildebrand Gurlitt, Vater des zu später und wiederum umstrittener Prominenz gelangten Sammlers Cornelius Gurlitt.

Mehr Fernseh- als Kinoformat

Tilman Urbach, der zuletzt auch einen Dokumentarfilm über den Maler Gotthard Graubner gedreht hat, zeigt und erzählt nun seine Recherche. Auf der Suche nach der titelgebenden „Lost Art“ des Großonkels, von dem es nur Fotos, keine bewegten Bilder gibt. Am nächsten kommt Urbach dem Vorfahren noch durch seinen ebenfalls malenden Vater, der für den Film mit Aquarellfarben ein Blumengemälde seines Onkels aus dem Gedächtnis rekonstruiert, das bei ihm einst im Kinderzimmer hing.

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Im Übrigen reiht der Film, untermalt von Geigen- und Cembaloklängen, Autofahrten des Regisseurs zu Nachfahren der jüdischen Sammler in Belgien, Holland und Schweden samt Interviews aneinander. Dazu Archivbesuche und ein paar Expertengespräche, ein Mal geht es auch in die nach dem Brand in der Pogromnacht 1938 inzwischen schön restaurierte Essener Synagoge. Das alles geschieht sehr bedacht, getragen, filmisch etwas bieder, und nicht uneitel oft ist Urbach selbst als Regisseur, Erzähler und Interviewer im Bild. Das hat so mehr Fernseh- als Kinoformat. Und wirkt dennoch berührend. Dieser kleine Film zum großen Thema ruft in eben sehr persönlicher Weise die Menschen, ihr Leben und nicht nur ihre „Lost Art“ wach.

Im Berliner Kino Filmkunst 66

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