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Der australische Sänger Michael Hutchence (1960-1997).

© Andrew de Groot

Doku über INXS-Sänger: Der Blickfänger Michael Hutchence

Richard Lowenstein hat mit „Mystify“ eine einfühlsame Dokumentation über das Leben und Sterben des australischen Sängers Michael Hutchence gedreht.

Es ist mehr ein Flirt als ein Interview. Für die Channel-4-Sendung „Big Breakfast“ trifft Moderatorin Paula Yates den australischen Popstar Michael Hutchence. Beide liegen auf einem großen Bett, die Beine ineinander verknotet, die Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Die beiden kichern viel, kommentieren Yates’ hochgerutschtes Mini- Kleid und reden kaum über Musik.

Das Bettgeflüster aus dem Jahr 1994 ist der Auftakt zum letzten und tragischsten Kapitel im Leben des INXS-Sängers Michael Hutchence. Dass es derart öffentlich beginnt, ist eine Art Omen für die kommende Zeit, in der Yates sich von ihrem Mann Bob Geldof trennt, zu Hutchence zieht und eine Tochter mit ihm bekommt. Das neue Promi-Paar sowie der Sorgerechtsstreit von Yates und Geldof um die drei gemeinsamen Kinder sind Lieblingsthemen der britischen Klatschpresse.

Reporter belagern das Haus des Promi-Paares

Drogen, Drama, Sex und Windeln – alles inklusive. Regelmäßig belagern Reporter das Londoner Haus von Yates und Hutchence, um an neue Details zu kommen. Im November 1997 dann der finale Akt in einem Hotelzimmer in Sydney: Der 37-jährige Michael Hutchence wird mit einem Gürtel erhängt aufgefunden. Er ist nackt, in seinem Blut befindet sich eine Mischung aus Wodka, Bier, Champagner, Kokain, Prozac und anderen Medikamenten.

All dies hat einen langen Schatten auf Hutchence und sein Erbe geworfen. Es davon zumindest teilweise zu befreien, hat sich sein Freund Richard Lowenstein zur Aufgabe gemacht. Der australische Filmemacher, der den Sänger 1984 kennenlernte und zahlreiche Musikvideos für INXS drehte, hat mit „Mystify: Michael Hutchence“ ein einfühlsames und detailreiches Porträt des Musikers geschaffen.

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Er hat dafür viele Freunde, Ex-Geliebte, Verwandte, Bandmitglieder, Kollegen und Manager interviewt, die bei ihren Aussagen allerdings nur zu hören und nicht zu sehen sind. Diese in den letzten Jahren vor allem von Asif Kapadia bei Dokumentationen wie „Amy“ oder „Diego Maradona“ angewendete Technik funktioniert auch hier hervorragend, denn sie führt ablenkungsfrei zurück in die Vergangenheit und erzeugt einen dramaturgischen Sog.

Michael Hutchence hatte eine außergewöhnliche Aura

Lowenstein focussiert mehr den Privatmann als den Musiker Michael Hutchence. Sein Film ist keine INXS-Bandbiografie, wobei Hits wie „Never Tear Us Apart“ oder das titelgebende „Mystify“ sowie Videos und Live-Aufnahmen natürlich prominent vorkommen – etwa in der Eröffnungssequenz, die den Ausschnitt eines Arenakonzertes zeigt. Beiläufig vermittelt der Regisseur, dass die 1977 in Sydney gegründete Formation, die ihre Rocksongs geschickt mit Pop und Funk vermengte, ihren zeitweise an U2 heranreichenden Ruhm der achtziger Jahre zu einem Großteil dem Gesang und dem Charisma ihres Frontmannes verdankte.

Wiederholt wird in „Mystify“ die außergewöhnliche Aura des gut aussehenden Sängers mit den braunen Locken beschrieben, der es verstand, seinem Gegenüber das Gefühl zu geben, der wichtigste Mensch im Raum zu sein. Unmittelbar belegt wird diese Aussage von einer Videoaufnahme, die einen intensiven Blick von Hutchence in die Kamera zeigt.

Mit Kylie Minogue im Orient Express

Überhaupt hat Lowenstein beeindruckend viel, teils unveröffentlichtes Material zusammengetragen. Besonders schön: die Urlaubsaufnahmen von Hutchence und Kylie Minogue unter anderem aus dem Orient Express. Die beiden australischen Stars, die zwei Jahre lang liiert waren, sehen darauf gelöst und verliebt aus. Minogue erzählt auch, wie sie sich später tägliche Faxe unter falschen Namen in ihre jeweiligen Hotels schickten und wie sehr sich Hutchence’ Leben um den Genuss drehte. Sei es Sex, Essen oder Trinken – der Sänger war ein Sinnesmensch.

Der Musiker Michael Hutchence.
Der Musiker Michael Hutchence.

© Steve Pyke

Vor diesem Hintergrund erscheint ein bisher kaum bekanntes Ereignis aus dem Jahr 1992 dreifach bitter: Eines Abends wird Hutchence, der mit seiner damaligen Freundin, dem dänischen Model Helena Christensen, in Kopenhagen unterwegs ist, von einem Taxifahrer zu Boden geschubst. Der Sänger ist zunächst bewusstlos, weigert sich dann, länger im Krankenhaus zu bleiben, und verliert schließlich dauerhaft seinen Geruchs- und Geschmackssinn.

Eine existenzielle Katastrophe für einen Mann, der Patrick Süskinds „Das Parfum“ so sehr liebte, dass er seine Schwester einmal mitten in der Nacht zu einer Stelle in Frankreich schleppte, die im Buch beschrieben wird.

Bob Geldof adoptierte seine Tochter

Hutchence hielt seinen Zustand weitgehend geheim, doch sein einst offenes Wesen verdüsterte sich zusehends, wie INXS-Gitarrist Tim Farriss berichtet. Offenbar nahmen auch sein Alkohol- und Drogenkonsum zu. Vor allem später, als er mit Paula Yates zusammen war. Die Moderatorin starb nicht einmal drei Jahre nach ihm an einer Heroin-Überdosis. Das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Tiger Lilly wurde Bob Geldof zugesprochen, der sie auch adoptierte. Ihre Stimme fehlt im Film, doch laut Lowenstein, der ihn ihr gezeigt hat, ist sie damit einverstanden. Sie half dem Regisseur sogar, die Rechte für INXS-Songs zu bekommen. Über die 23-Jährige ist wenig bekannt – eine gute Nachricht.
„Mystify“ (OmU): Acud, b-ware!, Babylon Kreuzberg, Delphi Lux, Filmtheater am Friedrichshain, Moviemento

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