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Gesangstalent. Die zwölfjährige Ebony wächst mit zwei Müttern auf.

© Rise and Shine Film

Doku über Regenbogenfamilien: Zwei Mütter, kein Problem

In ihrer sehenswerten Doku „Gayby Baby“ porträtiert die Regisseurin Maya Newell das Leben von Kindern in Regenbogenfamilien - und zeigt, dass es für das Kindsglück auf etwas anderes ankommt als das Geschlecht der Eltern.

Ausgerechnet Wrestling! Macho-Typen in komischen Kostümen, die so tun, als würden sie sich verkloppen. „Das Schlimmste, blödeste Männerding, das es gibt“, findet Jen. Ihr zehnjähriger Sohn Gus sieht das ganz anders. Er liebt Wrestling, kennt alle Akteure und stellt ihre Kämpfe mit seiner kleinen Schwester nach. Jetzt will er endlich eine Show live sehen, doch seine Eltern sind skeptisch.

Ein ganz gewöhnlicher Familienkonflikt, könne man meinen. Doch weil Gus mit zwei Müttern aufwächst und einmal sagt, dass er gar nicht wisse, „was männlich überhaupt bedeutet“, stehen plötzlich ganz andere Fragen im Raum: „Ist der Junge verwirrt, weil er ohne Vater aufwächst?“, „Ist seine Wrestling-Begeisterung ein Zeichen des Protests gegen seine zwei Mütter? Überkompensation gar?“

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Dass die Australierin Maya Newell in ihrer sehenswerten Dokumentation „Gayby Baby“ solches Zuschauerkopfkino zulässt, ist eine der Stärken ihres Werkes, das zwar ganz klar auf der Seite der Regenbogenfamilien steht, sie aber nicht verklärt. So lässt Newell die Sache mit Gus einfach offen: Kann schon sein, dass er beim Wrestling nach Vorbildern sucht, die er in der Familie nicht hat. Aber was wäre so schlimm daran? Bei einem Jungen, der in einer traditionellen Familie aufwächst, würde man im Übrigen niemals solche Spekulationen anstellen.

Die Doku lässt große Nähe entstehen

Neben Gus und seiner Familie porträtiert die 1988 geborene Newell, die selber mit zwei Müttern aufwuchs, noch drei weitere australische Kinder zwischen elf und zwölf Jahren. Gemeinsam ist ihnen, dass die Homosexualität ihrer Eltern für sie eine Selbstverständlichkeit ist. Bei Ebony hat das allerdings ein bisschen gedauert, wie sie offen erzählt. Seltsame Reaktionen von Außenstehenden machten ihr zu schaffen. Weit mehr Raum nehmen allerdings andere Probleme ein: die epileptischen Anfälle ihres kleinen Bruders, der Geldmangel der Familie, das klapprige Auto. Bei all dem versucht sie, sich auf ihre Aufnahmeprüfung für eine Musik-Highschool zu konzentrieren. Ebony will Sängerin werden, was ihre Mütter nach Kräften fördern.

Auch Graham kann auf seine Eltern zählen. Wenn eine lange Montage in „Gayby Baby“ zeigt, wie der Elfjährige mit einem seiner Väter einen halben Tag lang an einem Aufsatz arbeitet, versteht man, wie viel Liebe und Geduld ihm entgegengebracht wird. Seine Eltern haben ihn mit fünf adoptiert, er kam aus dem Heim und konnte nicht sprechen. Heute ist davon nichts mehr zu bemerken, aber beim Lesen und Schreiben hat Graham große Probleme. Da die Regisseurin ohne Kommentar oder eingeblendete Informationen arbeitet, erschließen sich solche Zusammenhänge erst allmählich. Manchmal sprechen die Kinder – nie die Eltern – direkt in die Kamera oder aus dem Off, wodurch eine große Nähe zu ihnen entsteht.

Mit Graham, der seinen Aufsatz auch noch nachts unter der Bettdecke übt, fiebert man regelrecht mit, als er am nächsten Tag vor der Klasse steht. Sein fast fehlerloser witziger Vortrag ist ein rührender Höhepunkt dieses einfühlsamen Films. Dass alle vier Porträts auch als kleine Geschichten mit einem dramaturgischen Bogen funktionieren, macht ihn so fesselnd.

„Gayby Babys“ sind bereits gesellschaftliche Realität

Beim vierten „Gayby“-Protagonisten Matt dreht sich diese Geschichte um einen Religionskonflikt mit seiner Mutter Sandy. Der Elfjährige glaubt im Gegensatz zu ihr nicht an Gott. Sie besteht jedoch darauf, dass er vor einer endgültigen Entscheidung „alle Fakten“ hat. Das beinhaltet nicht nur das Studium einer Kinderbibel, sondern auch den Besuch einer Einzelberatung durch den Pastor. Zum Glück ist der aufgeweckte Junge sehr meinungsstark und selbstbewusst. Ihn kann man nicht so leicht in eine Richtung schieben, die ihm missfällt. Zumal er eines der besten Argumente auf seiner Seite hat: „Warum gehst du in eine Kirche, in der alle denken, du sündigst gegen Gott?“, fragt er seine Mutter, die früher mit Matts Vater verheiratet war.

Für Matt ist nämlich ganz klar, dass die neue Beziehung von Sandy nicht sündig oder unmoralisch ist. Er liebt seine zweite Mutter Lou und sie liebt ihn. Matt ist sogar ein kleiner Aktivist, der sich bei bei einem Treffen mit der damaligen australischen Premierministerin Julia Gillard für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare starkmacht.

Vielleicht sollte er auch mal bei Angela Merkel vorbeischauen, um ihr dabei zu helfen, ihr schlechtes Bauchgefühl in Sachen Regenbogenfamilien zu überwinden. Auch ein Kinobesuch könnte der Kanzlerin und anderen Skeptikern ihre Zweifel nehmen. „Gayby Baby“ zeigt, was ja auch schon wissenschaftliche Studien ergeben haben: Das Wohlergehen von Kindern hängt nicht von der sexuellen Orientierung ihrer Eltern ab, sondern von deren Fähigkeiten, für sie zu sorgen, sie zu lieben und zu fördern. Der Film könnte dazu beitragen, die Aufregung und die ideologische Aufgeladenheit etwas zu mildern, die die Debatte um das Adoptionsrecht für Homo-Paare noch immer dominiert.

Gayby Babys sind ohnehin schon lange eine gesellschaftliche Realität. Maya Newells Doku ist eine gute Gelegenheit, ihnen einmal zuzuhören und nicht immer nur über sie zu reden.

Central, Kulturbrauerei, Moviemento und Xenon (alle OmU)

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