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Eingebürgert. Der Regisseur und seine Urkunde.

© Helena-Wittmann-Büchner-Filmprod.

Dokumentarfilm „Im Land meiner Kinder“: Post von Olaf Scholz

Deutscher werden: Darío Aguirres Dokumentarfilm „Im Land meiner Kinder“ ist eine ironische Reflektion über Zugehörigkeit und Identität.

Darío Aguirre hat Post bekommen. Von Olaf Scholz. Der Brief, den der Autor und Regisseur in seinem halben Film von A nach B trägt, ist eine Einladung, Deutscher zu werden. Mit zwei Briefaktionen ließ der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg zwischen 2011 und 2017 mehr als 150 000 Zuwanderer anschreiben, die zur Einbürgerung berechtigt waren. Aguirre, den die Liebe vor 15 Jahren von Ecuador nach Deutschland führte, ist einer von ihnen. In seinem Dokumentarfilm „Im Land meiner Kinder“ wird die Antragsstellung zum Anlass für eine so behutsame wie ironische Reflektion über Zugehörigkeit und Identität.

Die Ausländerbehörde ist in Aguirres Leben, wie auch in seiner Beziehung mit Stephanie, eine fixe Instanz. Nach vier abgelaufenen Pässen und zehn verschiedenen Visa sitzt er schon wieder über den lästigen Papieren. Jedes Formular, jede zu leistende Unterschrift, jeder Behördengang bestätigen ihm: „Ich bin ein Ausländer“. Dass sich dieser Status von einem Tag auf den anderen ändern soll, registriert er mit einer Mischung aus Vorfreude, Pragmatismus und Ungläubigkeit. Noch als er bei den Feierlichkeiten im Hamburger Rathaus die Einbürgerungsurkunde in den Händen hält, fragt er Scholz mit leichtem Schalk: „Heißt das, ich bin jetzt kein Ausländer mehr?“

In Gesprächen erkundet er die Frage, was ein Zuhause ausmacht und welche Zugeständnisse mit dem „Ankommen“ verbunden sind. Mariuxi, eine gleichfalls aus Ecuador stammende Freundin, erinnert sich, dass Darío Aguirre in Deutschland radikal aufgehört habe, lateinamerikanische Musik zu hören. Sie sagt einen Satz, der im Film immer wieder nachhallt und ebenso bestätigt wie widerlegt wird: „Integration ist Anpassung“.

Kulturelle Mentalitäten formulieren sich in Alltagsmomenten

Der Humor ist oft mit einem melancholischen Tonfall verwebt. In einer animierten Sequenz, aus der Erinnerung hingetuscht wie eine Aquarellmalerei, rekapituliert der Filmemacher seine Ankunft in Deutschland: die Überwältigung angesichts der komplett unverständlichen Sprache, die vielen Regeln. Im Gespräch mit den Schwiegereltern in Zittau, wo Aguirre bis zu seinem Umzug nach Hamburg lebte, sprechen diese zum ersten Mal zwischen Grünpflanzen und Nippes offenherzig über das „schwierige Jahr“. Stephanies Vater war vor allem der Künstler in Darío fremd. Ihre Mutter sagt: „Wir haben einfach zu wenig gesprochen.“

Animationssequenzen, Ausschnitte aus Aguirres Video- und Performancearbeiten, Home-Movie-Material und die präzise komponierten Bilder der Kamerafrau Helena Wittmann verbinden sich zu einem Bild, das ähnlich zusammengesetzt wirkt wie Aguirres deutsch-lateinamerikanisches Leben. Mit schöner Beiläufigkeit sieht man ihn und Stephanie immer wieder beim Kochen (sie sprechen spanisch miteinander). In Alltagsmomenten formulieren sich kulturelle Mentalitäten: hier die Ordnung der Mülltonnen, da ein Zettel, der zur Entfernung eines Fahrrads an einem Wäschetrockenplatz auffordert.

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Zwischen Antragsstellung und Einbürgerung vergeht einige Zeit, Darío und Stephanie werden inzwischen Eltern. Der Versuch, den Vater nach Deutschland einzuladen, entwickelt sich zum Kabarettstück: Aguirre muss für das Visum und die Bürgschaft schon wieder in die Ausländerbehörde.

fsk, OmU: Acud

Esther Buss

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