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Peter Liechti porträtiert seine Eltern  in Gestalt von Hasenpuppen.

© Edition Salzgeber

Dokumentarfilm „Vaters Garten“: Wie geht das, 62 Jahre verheiratet sein?

Der Schweizer Regisseur Peter Liechti hat einen Dokumentarfilm über seine Eltern gedreht. In „Vaters Garten“ wollte dem Geheimnis einer langlebigen Ehe auf die Spur gehen.

Der Vater zieht die Furchen im Gemüsebeet so akkurat wie mit dem Lineal. Die Mutter bügelt seine Hemden, 15 Minuten pro Stück, er will ja keine T-Shirts tragen. Schon zweimal hat sie sich die Rippen gebrochen, ist ausgerutscht in der Badewanne. Aber ein Haltegriff kommt nicht infrage, sagt der Vater. Löcher in die Kacheln bohren, das geht nicht.

Der Schweizer Regisseur Peter Liechti hat einen Dokumentarfilm über seine Eltern gedreht. Max und Hedi, sie sind über 80, seit 62 Jahren ein Ehepaar. Liechti wollte wissen, wie das geht, so lange verheiratet sein. Zumal die beiden grundverschieden sind, er ordnungsliebend und immer im Garten oder im Sportverein. Sie wäre früher gerne gereist, jetzt verirrt sie sich mit Gehhilfe im Supermarkt, liest, betet, ist fromm. Der Mann ist der Herr im Haus, sagt er, sie widerspricht nicht mehr. Ein trautes Paar, das sich morgens ein Küsschen gibt, zwei Menschen, die einander fremd sind. Gemeinsam ist ihnen die Welt fremd geworden, die Gegenwart. Max trug immer die gleiche Frisur.

Der Sohn war ein Rebell. Heute ist er über 60 und bleibt sich treu. Legt Jazz und Neue Musik auf die Tonspur. Wählt schräge Unter- und Draufsichten, trennt Bild und Ton, lässt den Sturm die Sonnenblumen zerzausen, erlaubt sich extreme Close-ups. Lauter Befremdlichkeiten: Seinen Frieden hat Liechti mit den Eltern noch nicht gemacht.

Und doch hört er ihnen geduldig zu. Ein Versöhnungsangebot: Die beiden treten auch in Gestalt von Hasenpuppen auf, auf einer Puppenbühne. Jeder Satz, den die Hasen sagen, ist in einem der Film-Interviews tatsächlich gefallen. Auf Schwyzerdütsch. Die Hasen sind synchronisiert. Es klingt anders, nachdenklicher. So eröffnet Liechti einen imaginären Raum für das, was sich dem Verständnis vordergründig entzieht, schenkt den beiden am Ende ein Renaissance-Tänzchen, mit Wackelohren, Schürze und Hemd.

Seine Eltern hätten ihn gewarnt: Wenn er einen Film über sie drehe, wolle den bestimmt keiner sehen, erzählte Liechti, als „Vaters Garten – Die Liebe meiner Eltern“ auf der Berlinale 2013 Premiere feierte. Max und Hedi irrten, zum Glück. Die Leserjury des Tagesspiegels zeichnete den Dokumentaressay als besten Forums- Film aus. Ein „zärtliches Porträt“, das zugleich die eigene Verletzlichkeit offenbart, so die Begründung. Nach der Preisverleihung rief Liechti gleich seine Eltern an, um die Freude über die Auszeichnung mit ihnen zu teilen.

fsk am Oranienplatz, Hackesche Höfe

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