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Kultur: "Don Quixote": Es kommt Besuch

Gleich in fünffacher Ausfertigung schleicht Don Quixote auf die leere Bühne. Doch es sind weniger Ritter von der traurigen als von der komischen Gestalt, Figuren aus dem Comix-Land.

Gleich in fünffacher Ausfertigung schleicht Don Quixote auf die leere Bühne. Doch es sind weniger Ritter von der traurigen als von der komischen Gestalt, Figuren aus dem Comix-Land. Das Spiel vom ewigen Aufbruch und Scheitern des idealistischen Ritters wird vom Theater des Lachens als ernsthaft-alberner Slapstick gegeben. Fertige Figuren gibt es beim Theater des Lachens ebensowenig wie fertige Fragen. Alles ist offen, und alles ist Spiel. Wer der Held Don Quixote ist, wird im munter reflektierenden Assoziationsspiel jeden Augenblick neu entschieden. Viele der bekannten anderen Figuren des Romans kommen auch vor, ohne dass wir sie immer als reale Personen zu sehen bekommen. Die fünf miteinander um Szenen, Situationen und Rollen streitenden Clowns erschaffen den Diener Sancho Pansa, das Pferd Rosinante und die angebetete Dulcinea im Kampf der Andeutungen und Zeitsprünge. Kaum aufgebaut, hat sich jede Figur auch schon wieder verflüchtigt. Die gliederschlackernden Schauspieler präsentieren ein komödiantisches Spiel, bei dem sie von einer Rollenanspielung in die nächste Verfremdung fallen.

Manchmal kann der Zuschauer im Furioso der szenischen Anspielungen kaum folgen. Spaß hat er trotzdem. Denn Geschichte wird in bunten Geschichten verdeutlicht, und Don Quixote rast in geordnetem Chaos durch die Jahrhunderte. Eben noch im Kreml im Museum für angewandte Völkerkunde, erlebt er die Erschaffung der Dulcinea in einer Berliner Familie: "Zieh einen neuen Schlüpper an, es kommt Besuch." Und eine Wegbeschreibung von der Friedrichstraße bis Mallorca folgt auf einen allegorischen Zug mit Grab, Nacht und Wagen.

Miguel de Cervantes Roman von 1500 Seiten Umfang wird vom Theater des Lachens in eine 75minütige Geschichte von der Produktivität des Scheiterns komprimiert. Darin gibt es sowohl heutige Improvisationstexte wie Zitate aus Lunartscharskis revolutionärem "Don Quixote". Ein spanisches Freiheitslied erklingt, und vom melancholischen "Wezerni swon" wechselt man zu "Durchs Gebirge, durch die Steppe zog unsere kühne Division ..." Die Szenen splittern ineinander ("zur gleichen Zeit 446 Seiten später ..."), denn es geht weniger um die Wiedererkennbarkeit von Figuren als darum, Haltungen und Sehnsüchte spielerisch auszustellen. Dieser Don Quixote ist kein Prediger oder Missionar und schon gar kein Ideologe: Er ist ein Suchender, nach dem das Theater des Lachens selbst mit munterer Unbedenklichkeit forscht.

Das Spiel der vielen Bedeutungen besitzt hier zwar noch nicht die konzentrierte komödiantische Genauigkeit des bereits mehr als 100 Mal gespielten Erfolgs-"Danton" der Gruppe um die Regisseurin Astrid Griesbach. Doch wieder wird ein klassischer Text auf gleichermaßen intelligente wie lustige Art und Weise für unsere Fragen geöffnet. Indem die fünf virtuosen Komödianten - Ralf Bockholdt, Thomas Jahn, Andreas Liepmann, Frank Panhans, Renat Safiulin - ihre Rollen auf offener Bühne suchen, denken sie über Haltungen zu alter und neuer Zeit nach. So findet in 75 Minuten in den Sophiensälen mehr unterhaltsames politisches Theater statt als zum Beispiel in einer ganzen Spielzeit am Schiffbauerdamm.

Hartmut Krug

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