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Donald Runnicles und die Deutsche Oper: In Sicherheit

An der Deutschen Oper bewährt sich Donald Runnicles als Wagner-Dirigent. Er ist Theaterpraktiker durch und durch – und damit als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin ein Gewinn.

Rappelvoll das in Sanierung begriffene Haus mit gesperrten Foyers und Treppen. Neben dem Schillertheater die zweite Baustelle für die Musen an der Bismarckstraße. Das Publikum ganz gebannte Neugier, als der schottische Dirigent mit dem „Rheingold“ seinen ersten „Ring des Nibelungen“ im neuen Amt einleitet.

Blackout total. Allmählich schimmern menschliche Silhouetten in dem „Zeittunnel“ auf, dem unverwechselbaren Interpretationsansatz von Regisseur Götz Friedrich und seinem Bühnenbildner Peter Sykora. Diese Wagner-Inszenierung ist ein gutes Vierteljahrhundert alt und das Bild aus der Ferne längst vergangener Zeiten nostalgisch berührend, grandios. Treu bewahrt im Fundus, auch wenn die Technik schon mal hapert. Sören Schuhmacher führt die Figuren, nicht zuletzt aufgrund erhaltener Probennotate, durch das Spiel, das Friedrich ein Endspiel nennt, „und das Ende ist neuer Anfang“.

Nun aber Donald Runnicles: das Zuverlässige, die Sicherheit, auf die Orchester und Sänger bauen können. Im Kontrast zu seinem Vorgänger. Dieser Maestro spürt und reguliert im Voraus, was zu einer Irritation zwischen Graben und Bühne führen könnte. Romantische Geheimnisse, Transzendenz, Zwischenreich sind seine Sache weniger. Etwa die 136 Takte Es-Dur, die vom Ursprung der Dinge künden. Seine Musik ist direkt und nimmt sich die Freiheit, aus dem Erhabenen ins Alltägliche auszuweichen.

Die Tendenz wird von einer Besetzung gefördert, die respektabel, aber in keiner Weise überragend ist: Tomasz Konieczny (Alberich), ansprechend Ewa Wolak (Erda), Reinhard Hagen und Andrea Silvestrelli (das Riesenpaar Fasolt und Fafner), Judit Németh, Manuela Uhl, Markus Brück und Thomas Blondelle (Fricka, Freia, Donner und Froh), schwaches Niveau der Rheintöchter. Burkhard Ulrich hat das Problem, dass sein intelligenter Loge als Tenorpartie zu eng im Charakterfach haftet. Und Wotan ist in der Handlung zwar ein Gott im Untergang, aber ein Gott. Und den nimmt man Mark Delavan weder stimmlich noch darstellerisch ab.

Da fesselt plötzlich eine kleine Szene, wenn Peter Maus als Mime mit persönlichem Ausdruck vom „niedlichen Niblungentand“ singt. An diesem „Vorabend“ erreicht Runnicles seine spannendsten Momente im Dramatischen, pointiert Rhythmischen (Leitmotiv der Riesen) und im energischen Schluss: „Ihrem Ende schreiten sie zu“, auf die Burg, nach Walhall.

Bei der „Walküre“, wo sich der Göttermythos mit der Tragödie des Wälsungenpaares verknüpft, tritt als Spielleiterin die getreue Gerlinde Pelkowski hinzu, die das Werk von Anfang an begleitet hat. Beginnend in dem beklemmenden Interieur, das Hundings Wohnraum als Gefängnis ausweist, weckt ihre Personenführung Erinnerungen, weil sie präzise Nachschau ist aus Kopf und Herz. Umso mehr blitzt die ursprüngliche Besetzung durchs Gemüt: Julia Varady, Catarina Ligendza, Peter Hofmann, Simon Estes.

Nun findet die Geschwisterliebe Siemunds und Sieglindes zwischen Clifton Forbis und Violeta Urmana großen Klang, Kraft der „Wälse“-Rufe und des „Wälsungenblutes“. Aber in Rezitativ und Melodie tremoliert der Tenor ins Ungenaue, und die unerschütterliche Opernstimme der Urmana ist zu verwöhnt, um sich in „Sieglindes Weh“ zu versetzen. Reinhard Hagens Hunding: kein Theaterschurke, aber gefährlich. Das Oktett der Walküren, das in seinem ungermanischen Outfit die Premiere fast zum Abbruch gebracht hätte, geht heute glatt durch, singt in harmonischer Besetzung.

Was ist mit Evelyn Herlitzius, der beliebten Sängerin, passiert? Ihre Brünnhilde, das stürmische Mädchen, verfügt zwar noch über klingende Höhen, kann aber die Spannung in den Wotan-Dialogen nicht halten, weil das von Natur lieblich schrille Timbre allzu körnig geworden ist. Mark Delavan – siehe oben –, kein Heldenbariton, hält seine Partie tapfer durch, verrät jedoch nicht viel mehr. So wird die Strecke lang bis zu Wotans Abschied und Feuerzauber.

Der Dirigent differenziert die Motive, die Instrumentation, scharf geschnitten, manchmal zu laut, aber auch in den dolce-Partien der Todverkündung sehr intensiv. Selbst wenn das Orchester hier und da kiekst, in Donald Runnicles jedenfalls hat es eine Autorität mit eigener musikalischer Vorstellungskraft gefunden.

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