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Kultur: Doppelpass

Die Komische Oper Berlin ist „Opernhaus des Jahres“

Vom Himmel zur Hölle, von Lob zu Tadel ist es oft nur ein kleiner Schritt. Was die aktuelle Kritikerumfrage der Zeitschrift „Opernwelt“ betrifft, so trennen das „Opernhaus des Jahres“ und das „Ärgernis des Jahres“ 2007 wenige Kilometer Luftlinie. Sie liegen in ein und derselben Stadt, ja wohnen sogar unter ein und demselben Dach – dem Dach, ausgerechnet, der Berliner Opernstiftung, die die Fliehkräfte nun zu deckeln haben wird.

Die Komische Oper an der Behrenstraße darf seit gestern den Titel „Opernhaus des Jahres“ führen, die Deutsche Oper an der Bismarckstraße hingegen wird sich vom Makel des amtierenden „Ärgernisses des Jahres“ wieder rein zu waschen haben. Auf der einen Seite also: der Hort der Musiktheaterregie mit Recken wie Hans Neuenfels und Peter Konwitschny, aber auch mit jüngeren Wilden wie Calixto Bieito oder Sebastian Baumgarten, mit Kirill Petrenko als prägnantem Ex-Musikchef („Dirigent des Jahres“), Andreas Homoki als breitschultrigem Künstlerintendanten und mit starken, begeisterungsfähigen Kollektiven (darunter der „Chor des Jahres“).

Überzeugender als im vergangenen Jahr, als die Kritiker dem „Deutschen Stadttheater“ die Krone aufsetzten, wird hier der Ensemblegeist als Wurzel allen progressiven Opernglücks beschworen. Kleiner Schönheitsfehler: Bremen liegt stimmenhalber gleich auf, den Hanseaten und ihrem scheidenden Intendanten Klaus Pierwoß sei’s gegönnt.

Auf der anderen Seite, an der Bismarckstraße: die institutionalisierte Kopflosigkeit. Eine Intendantin, Kirsten Harms, die die mageren Bilanzen ihres Hauses mit dem Raritäten-Bonus aufpolieren möchte („Germania“) und kulturpolitisch verheerende Entscheidungen trifft („Idomeneo“), ein Generalmusikdirektor, Renato Palumbo, der Webers „Freischütz“ vergeigt, Chefregisseure, die noch viel lernen müssen, ein klappriges Repertoire und über allem der – begründete – Verdacht, spätestens seit der Naumannschen Morgengabe an Daniel Barenboims Staatskapelle ohnehin das ungeliebteste Opernkind der Stadt zu sein ... die Liste der Versäumnisse und Desiderate ist lang. Und ärgerlich fürwahr.

Nun ist das mit der „Opernwelt“-Umfrage so eine Sache. Die 50 Kritikerinnen und Kritiker nämlich (vom „Fränkischen Tag“ bis zur „Financial Times“/London, von den „Moscow News“ über den „Weser Kurier“ bis zur „FAZ“) bewegen sich höchst unterschiedlich durch die Opernlandschaft: Der eine harkt sein provinzielles Vorgärtlein, die andere jettet rund um den Globus. Perspektive und Ergebnisse sind also nicht repräsentativ – selbst wenn Christine Schäfer („Sängerin des Jahres“), Stefan Herheim („Regisseur des Jahres“) oder Chéreaus/Boulez’ Wiener „Totenhaus“-Inszenierung („Aufführung des Jahres“) einen gewissen internationalen Standard nicht unterschreiten. Für die Komische Oper reichten 6 Stimmen zum Sieg (wobei Kirill Petrenko und der Chor den positiven Eindruck natürlich verstärken), dicht gefolgt von Brüssel (mit 4). Die Deutsche Oper immerhin bringt es auf stolze 12 Nominierungen. Und die Lindenoper? 5 Voten insgesamt, 3 für die Staatskapelle, eins für ein Bühnenbild, ein anderes für eine Sängerin – auch schön. Christine Lemke-Matwey

Christine Lemke-Matwey

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