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Kultur: Doppelpass

Täter und Opfer in „Die Zwillinge“

Wer schon den „Untergang“ ideologisch fragwürdig gefunden hat, der wird mit dieser Geschichte zweier ungleicher Schwestern noch mehr Probleme haben. Der niederländische Regisseur Ben Sombogaart vertritt eine gewagte, aber durchaus diskutable These: Ob jemand in den Jahren 1933 bis 1945 zum Kreis der Täter oder zum Kreis der Opfer gehört hat, hing von Zufällen ab und nicht vom freien Willen des Einzelnen.

Die Zwillinge Anna und Lotte kommen bei Pflegeeltern unter, die gegensätzlicher nicht sein können. Lotte gerät an eine kultivierte Familie in den Niederlanden, macht Karriere als Pianistin und verliebt sich in einen jüdischen Kollegen, der bei einer Razzia verhaftet und nach Buchenwald verschleppt wird. Anna landet bei einem Bauern in Deutschland, der gegen die Nazis ist, aber zu Gewaltausbrüchen neigt, Anna misshandelt und sie als geisteskrank verleumdet, woraufhin sie zwangssterilisiert werden soll. Nur ein Hitlerjunge und ein SSMann, der gegen seinen Willen bei der SS gelandet ist, verhalten sich ihr gegenüber menschlich. Als die Geschwister sich nach Kriegsende wiedersehen, verstößt Lotte Anna, weil sie einen SS-Mann geheiratet hat.

Der Film, der auf einem 1997 erschienenen Bestseller von Tessa de Loo basiert, ist recht hausbacken gemacht. Auch die Musik atmet den Geist von Rosamunde Pilcher. Dafür kann man sechs außergewöhnliche Darstellerinnen bewundern, die die Schwestern in verschiedenen Altersstufen verkörpern – allen voran Nadja Uhl und Gudrun Okras als die erwachsenen Schwestern. Und was die zentrale Aussage betrifft: Es ist natürlich etwas dran an der These vom Zufall, der einen Menschen hierhin oder dorthin verschlägt. Aber zählt individuelle Verantwortung dagegen nichts? F.N.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Kulturbrauerei, Kant

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