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Dr. Wewetzer: Mabuses Erben

Hartmut Wewetzer fahndet nach guten Nachrichten in der Medizin Heute: Irre im Kino.

Seit es Filme gibt, beschäftigen sie sich mit der kranken Psyche. Es ist das Geheimnisvolle und Unerklärliche, was den Reiz dieser Ausflüge in das dunkle Reich der Seele ausmacht. Patienten, Psychiater, Anstalten und schauderhafte „Behandlungen“ gehören schon seit der Stummfilmzeit eines Dr. Caligari zum Repertoire. Anstaltsdirektor Caligari, Hypnotiseur Dr. Mabuse, der kannibalische Psychiater Hannibal Lecter aus „Schweigen der Lämmer“ – oft sind die Therapeuten selbst besonders schlimme Bösewichte. Nicht, dass psychisch Kranke weniger tückisch wären. Norman Bates in „Psycho“ ist ein janusköpfiger Besessener, der aus der Anstalt entlaufene Mörder Michael Myers in „Halloween“ mit den Mächten des Bösen im Bunde.

Mit der Realität hat all das so gut wie nichts zu tun. Aufklärung sollte man also nicht erwarten, wenn man ins Kino geht. Dummerweise sind es aber gerade die Stereotypen, die sich einprägen und die das Bild von der Psychiatrie und von seelischem Kranksein prägen. Entgegen dem Klischee und der Berichterstattung in den Medien sind psychisch Kranke nicht häufiger gewalttätig als andere Menschen, sie werden sogar öfter zum Opfer. Der Umgang mit ihnen mag mitunter schwierig sein. Trotzdem sind die meisten Menschen mit psychischen Problemen nicht „unberechenbar“, wie eine häufig geäußerte Befürchtung lautet. Die große Mehrheit sind ganz gewöhnliche Menschen, die zur Arbeit gehen und ihr Leben leben wollen.

Selbst da, wo die Medien den „Psychos“ Sympathie entgegenbringen, wie dem schrullig-zwangskranken Detektiv Monk, gibt es eine unterschwellig negative Botschaft: Die Störung Monks bessert sich trotz stetiger Therapie nicht. Einmal Macke, immer Macke. Ein oftmals falscher Eindruck!

Aber das Bild hellt sich allmählich auf. In den letzten Jahren sind Filme entstanden, die ein realistischeres Bild zeichnen. Menschen, die mit psychischem Kranksein zu kämpfen haben, können nun auch Helden sein.

Herausragend ist „A Beautiful Mind“ (2001). Russell Crowe spielt den schizophrenen Mathematiker John Nash, in dessen Halluzinationen die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit verschwimmen. Weil in dem Film optische Trugwahrnehmungen vorherrschen – Nash sieht Menschen, die nicht da sind –, ist der Film vielleicht nicht besonders realistisch. Typisch für eine schizophrene Wahnkrankheit ist eher das Stimmenhören. Aber das Schicksal Nashs ist ergreifend. Er ist Opfer, nicht Täter. Eine Nummer kleiner, aber ebenfalls sehenswert ist „Das weiße Rauschen“ (2002), in dem Daniel Brühl einen jungen Mann spielt, der in der Psychose versinkt.

Vermutlich tun solche Filme mehr für Verständnis und Toleranz als diverse Goodwill-Kampagnen. Und vielleicht kann man doch manchmal Aufklärung erwarten, wenn man ins Kino geht.

Unser Kolumnist leitet das Wissenschaftsressort des Tagesspiegels. Haben Sie eine Frage zu seiner guten Nachricht?

Bitte an: Sonntag@Tagesspiegel.de

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