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Höher, weiter, lauter. Der kanadische Rapper und Sänger Drake hat von seiner neuen Platte 1,5 Millionen Exemplare verkauft.

© dpa

Drake: Lass uns kuscheln

Hip-Hop und Handküsse: Bei seinem Auftritt in der O2 World zeigt Drake: Das Schmusefach ist seine wahre Stärke

Feuerfontänen, Raketen, Laser, Trockeneiskanonen – Drake hat wirklich alles dabei, um mächtig Alarm zu machen. Sogar eine riesige, kreisförmige Gangway, die wie ein Raumschiff von der Hallendecke herabschwebt. Von hier aus bekundet der Rapper eine etwas zähe Viertelstunde lang seine Liebe zu den Fans, die er immer wieder zu Jubelattacken auffordert.

Doch dann kommt die größte Explosion. Ganz ohne Pyrotechnik, ganz ohne Lichtgeflacker. Ein schwarz gekleideter Mann springt neben den Kanadier auf die Bühne, feuert ein paar Zeilen in den Raum – und die Luft brennt. Der gesamte Saal kreischt auf. Es ist Kanye West! OMG! Die aggressiven Beats seines Songs „Black Skinheads“ bollern aus den Boxen, West spuckt die Zeilen geradezu ins Mikrofon, vibriert vor nervöser Energie. Alles, was vorher stattgefunden hat, und alles, was noch zu hören sein wird, hat er in drei Minuten quasi ausgelöscht. Als wäre ein apokalyptischer Reiter durch eine Gartenparty geprescht.

Der 27-Jährige mischt inzwischen in der ersten R 'n' B-Liga mit

Drake, der während des Spektakels wie ein kleiner Cheerleader nebendran rumhüpft, verabschiedet Kanye West mit den Worten „Mentor, god, genius of all geniuses“. Denn er ist sich des Klassenunterschiedes zu seinem neun Jahre älteren Vorbild durchaus bewusst. Dabei mischt der 27-jährige Ex-Fernsehserienstar in den USA und Kanada mittlerweile selbst in der ersten Rap- und R ’n’ B-Liga mit. So ist es keine allzu große Übertreibung, wenn er in seinem Track „Tuscan Leather“, der das 90-minütige Konzert sowie sein aktuelles Album „Nothing Was The Same“ eröffnet, mit den Einnahmen der letzte Platte prahlt: „Comin’ off the last record, I’m gettin’ 20 million off the record/Just to off these records, nigga that’s a record.“ Auch die im September 2013 veröffentlichte neue Platte stieg in den USA sofort an die Chartspitze und verkaufte sich allein dort rund 1,5 Millionen Mal.

Hierzulande liegen die Popularitätswerte von Aubrey Drake Graham, so sein vollständiger Name, allerdings noch deutlich niedriger. Die Berliner O2 World ist an diesem Abend gut gefüllt, aber bei Weitem nicht ausverkauft, große Teile des Oberranges sind sogar abgehängt. Wovon sich der ganz in Weiß gekleidete Rapper natürlich nicht beirren lässt. Mit „Headlines“ und „Crew Love“, für das sein Support-Sänger Weeknd noch mal auf die Bühne kommt, steuert er sofort zwei der besten Stücke seines zweiten Albums „Take Care“ an. Danach verliert seine Performance jedoch rapide an Schwung. Und das, obwohl er die folgenden Songs gar nicht ausspielt, sondern in einer Art Medley verknüpft.

Sein Rap-Stil eher unaufgeregt bis schläfrig

Drake entfaltet nicht genügend Power und Präsenz, um die große Halle zu fesseln. Da hilft es auch nicht, dass der höfliche Sohn einer weißen Lehrerin und eines schwarzen Musikers zwischen den Stücken gern anfeuernde Kurzansprachen hält – teilweise sogar auf Deutsch („Wie geht’s, Alta?“, „Lasst uns feiern!“). Zudem ist er praktisch auf sich allein gestellt, denn sein Schlagzeuger, der Keyboarder und der DJ beteiligen sich nur gelegentlich am Geschehen – große Teile der Musik werden von Festplatte eingespielt. Dass Drake einen eher unaufgeregten bis schläfrigen Rap-Stil pflegt, macht die Angelegenheit nicht eben dynamischer. Als Sänger überzeugt er deutlich mehr. So kreiert er bei „Too Much“ mit einem Echoeffekt auf dem Mikro zur sparsamen Keyboardbegleitung einen ergreifenden Feuerzeugballadenmoment.

Das Pop- und Schmusefach ist ohnehin seine wahre Stärke. Als Jhené Aiko für das Piano-Fingerschnipp-Duett „From Time“ auf die Bühne kommt, spielt er sie zum ersten Mal aus. Und dann noch einmal im zweiten Konzertteil mit seinem bisher stärksten Song „Hold On, We’re Going Home“, für den er sich extra ein frisches T-Shirt und andere Jeans angezogen hat. Er dehnt das Stück zu einer Maxi-Version und holt zum Finale eine junge Frau aus dem Publikum auf die Bühne, die er erst mit Komplimenten umschmeichelt, um sie dann beim Singen von hinten zu umarmen und ihr Küsse auf den Hals zu drücken. Beeinduckend, wie souverän und unschmierig der Mann aus Toronto diese Aktion hinbekommt. Kollege R. Kelly wäre sicher stolz. Handküsse hat Drake übrigens auch im Programm.

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