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Leere. Der Friedrichstadtpalast am vergangenen Wochenende.

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Drastische Einbußen erwartet: Wie sich die Coronakrise auf die Kulturwirtschaft auswirken wird

Eine erste Analyse entwirft Verläufe für die Kulturwirtschaft. Die könnten hart werden. International sieht die Situation noch schlimmer aus.

Kaum wurde am Wochenende der Zugang zu den Online-Anträgen auf Soforthilfe des Bundes für Kleinunternehmen und Soloselbständige freigeschaltet, setzte ein enormer Run ein. Auskunft begehren nicht zuletzt die Angehörigen künstlerischer Berufe und Unternehmer kreativwirtschaftlicher Branchen. Sie werden von der Virus-Krise wirtschaftlich mit am stärksten tangiert.

Unter dem Titel „Betroffenheit der Kultur- und Kreativwirtschaft von der Corona-Pandemie“ legt das „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft“ im Auftrag der Bundesregierung nun eine erste Analyse vor. Sie versucht, „Ökonomische Auswirkungen anhand einer Szenarioanalyse“ – so der Untertitel – zu prognostizieren.

Dabei machen die Autoren deutlich, dass in der gegenwärtigen Krise ein „Konjunkturprogramm sowie konsumtive Maßnahmen (...) nur eingeschränkt zu empfehlen“ seien: „In der aktuellen Situation (...) sollten vor allem einkommensstärkende Maßnahmen zum Einsatz kommen.“ Was in Gestalt des 50-Milliarden-Fonds für nicht rückzahlbare Zuwendungen denn auch soeben angelaufen ist.

Immerhin geht es bei der Kultur- und Kreativwirtschaft um 260 000 Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 268 Milliarden Euro und 1,7 Millionen Beschäftigten. Dazu zählen 260 000 Freiberufler sowie knapp 340 000 sogenannte Mini-Selbstständige mit einem jährlichen Umsatz unter 17 500 Euro.

Grundsätzlich wird angenommen, dass die Einkommenseinbußen nicht gleichmäßig übers Jahr eintreten, sondern kumuliert innerhalb der kommenden drei bis vier Monate. „Inwieweit diese Auswirkungen eintreten, kann selbstverständlich nicht gewissenhaft beantwortet werden“, wird im Papier eingeschränkt: „Es soll lediglich eine erste Vorstellung der betroffenen Personen und Umsatzausfälle gegeben werden.“ Die Prognosen beziehen sich jeweils auf das Gesamtjahr 2020.

Durch Absagen bricht Umsatz weg

Mit am stärksten sind die Auswirkungen der Krise auf Selbstständige und Unternehmen „aus dem Kunstmarkt und den darstellenden Künsten“, die das Prognosepapier zusammenfasst. „Nahezu alle Beschäftigten dieses Teilmarkts werden von Umsatzausfällen betroffen sein und 25 bis 75 Prozent ihrer jährlichen Umsätze verlieren, berechnet je nach Dauer der Krise zwischen einer baldigen Rückkehr zum Vorkrisen-Zustand“ – im Papier als „milder Verlauf“ bezeichnet – „bis zu einem längerfristigen Anhalten von mehreren Monaten“ – dem „gravierenden Verlauf“.

Dies betrifft selbstständige Künstler und Künstlerinnen, Veranstaltungsorte sowie Kulturunterrichtsbetriebe wie (private) Musikschulen. Sie sind auf Auftritte und Veranstaltungen angewiesen. Durch die Absagen bricht der Umsatz temporär weitgehend weg.

Auch im Kunstmarkt wird erwartet, dass 21 bis 64 Prozent der Umsätze dieses Jahres ausfallen werden. Dabei umfasst der Kunstmarkt knapp 17 700 Kernerwerbstätige und 27 300 Mini-Selbstständige, der Bereich der darstellenden Künste 46 200 respektive 49 800 Berufstätige.

Einbußen von über 5 Milliarden für die Musikbranche

Auch für die Unternehmen und Selbständigen der Musikwirtschaft rechnet das Prognosepapier mit dem Verlust des Großteils des Umsatzes. Das ist an der Schließung aller Veranstaltungsstätten mit der Absage aller Auftritte und Konzerte unmittelbar abzulesen.

„Überträgt man die Auswirkungen auf die einzelnen Gruppen der Musikwirtschaft, werden Umsatzeinbußen von 1,6 Milliarden Euro bei „mildem Verlauf“ bis 5,1 Mrd. Euro bei „gravierendem Verlauf“ erwartet. Das entspricht einem Wegfall von 19 bis 59 Prozent der jährlichen Umsätze.

Das Papier verweist auf Hochrechnungen der deutschen Musikwirtschaft, die sich auf eine Dauer von sechs Monaten beziehen und Umsatzeinbußen in Höhe von 5,5 Milliarden Euro befürchten. Für die Musikwirtschaft werden 23 100 Mini-Selbstständige und 15 400 geringfügig Beschäftigte angesetzt.

Bis zu 71 Prozent in der Filmbranche

Auch die Filmwirtschaft muss mit hohen Umsatzrückgängen rechnen. Kinos mussten wie alle Veranstaltungsräume vollständig schließen.

„Zudem“, heißt es im Papier, „bestehen allgemein Finanzierungsschwierigkeiten durch den Ausfall von Dreharbeiten. Deutschlandweit wird damit gerechnet, dass die Filmwirtschaft 24 bis 71 Prozent des jährlichen Umsatzes einbüßen wird, insgesamt etwa 2,4 bis 7,2 Mrd. Euro“ je nach Krisenverlauf.

Allerdings wird in dem Prognosepapier nicht erwartet, dass die Gesamtnachfrage nach Filmen sinken wird. Eine sofortige Erholung der Umsätze nach dem Ende der krisenbedingten Beschränkungen wird angenommen. In der Filmwirtschaft, so die Berechnungsgrundlage, arbeiten knapp 61 000 Kernerwerbstätige und 46 000 Mini-Selbständige.

Ausblick auf die internationale Situation

Schließlich werden im Buchmarkt Umsatzeinbußen von 1,3 bis 4,5 Milliarden Euro erwartet, 10 bis 34 Prozent des jährlichen Gesamtumsatzes. Dabei wird der Großteil der Verluste bei Buchverlagen sowie Unternehmen des Einzelhandels, vor allem Buchläden, angenommen.

Auch wird berücksichtigt, dass die Umsatzausfälle allenfalls teilweise durch den Online-Vertrieb kompensiert werden: „Gerade kleine Läden mit einem begrenzten Online-Angebot können von der Krise daher stark getroffen werden“. Dem Buchmarkt werden knapp 70 000 Erwerbstätige sowie knapp 30 000 Mini-Selbständige zugerechnet.

Das Prognosepapier schließt mit einem Ausblick auf die internationale Situation. Der lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass sich die Lage überall gravierender darstellt als in Deutschland mit seinem weitgespannten Hilfsprogramm.

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