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Kultur: Drei Freunde müsst ihr sein

Spielt eher nicht in Wien: „Vienna“ von Peter Gersina – ein Film für und mit Axel Milberg

Von Daniela Sannwald

Immer wenn Axel Milberg auf den Plan tritt, ist man sofort bereit, wieder an den deutschen Film zu glauben. Auch wenn es sich in diesem Fall um eine deutsch-österreichische Produktion handelt: Milberg mit seiner gestelzten Sanftmut ist die zentrale Figur des Films.

Zwar heißt dieser Film „Vienna“ und ist von einem gebürtigen Österreicher in Wien inszeniert worden – mit der Hauptsatadt unseres Nachbarlandes aber hat er wenig zu tun. Kleiner Hinweis: Er heißt nicht „Wien". „Vienna“ hingegen scheint ein künstlicher Ort zu sein, eine disparate Ansammlung von Nicht-Schauplätzen, von Lokalitäten, die nur nachts oder nur tags existieren, von mobilen, provisorischen Behausungen und andererseits wieder erdrückender, monumentaler Überwältigungsarchitektur, die einander aber allesamt in ihrer Unwirtlichkeit ähneln.

Vor diesem Hintergrund hat Peter Gersina ein buddy movie gedreht, einen Film über eine herzerweichende Männerfreundschaft zwischen dem blinden Kunstkritiker Bruno (Milberg), dem Säufer Anatol (Max Tidof) und dem naiven Waisenknaben Ludwig (Roman Knizka). Das Schicksal hat sie zusammengeführt - und mit ihren spezifischen Defiziten passen sie so gut zueinander, dass sie sich einen schäbigen und noch dazu der Zerstörung durch den Schaufelbagger bereits geweihten Bauwagen teilen.

Was zunächst aussieht wie ein Schutzbündnis dreier Verlierer, erweist sich schon bald als ausgesprochen fruchtbares Beziehungsgeflecht. Ludwig hilft Bruno – buchstäblich! – bei der Kunstbetrachtung, Anatol und Bruno lehren Ludwig den Umgang mit den Frauen, alle verdienen Geld für die Haushaltskasse, so dass sie sich schon bald eine nette Wohnung leisten können und sehr viel Cremetorte, gerade so wie Bruno sie liebt.

Eine Automechanikerin interessiert sich für Anatol, eine Tänzerin für Ludwig, aber dass sich daraus trotzdem keine einfachen Geschichten entwickeln, versteht sich – zuerst kommt die Männerfreundschaft! Es geht dann doch noch alles einigermaßen aus, aber eben nur einigermaßen. Das Paradies findet sich halt nur beim Heurigen, aber Grinzing ist weit.

So künstlich wie der Schauplatz dieses Films, so manieriert ist auch die Sprache: Niemand spricht Wienerisch, natürlich, und schon ist man wieder bei Axel Milberg, dessen gemessen-freundliche Rede durchsetzt ist von beiläufig eingestreuten Bonmots – immer verrät sein leicht näselnder Duktus eine ironische Distanz zur eigenen Existenz. Milbergs Figuren bewegen sich stets außerhalb jedes realistischen Kontextes und verfügen über eine wunderbar unirdische Würde. Regisseur Peter Gersina hat dieses Potenzial erkannt und Milberg prompt eine Version von „Singing-in-the-Rain" tanzen lassen, die sich gegenüber der von Gene Kelly nicht verstecken muss: Wohl noch nie in der Filmgeschichte hat man einen eleganteren Einsatz des langen, weißen Blindenstocks gesehen.

Überhaupt steckt „Vienna“ voller mehr oder weniger gelungener Anspielungen auf Filme und Genres; und eine ausgeklügelte Beleuchtungsstrategie lässt ganze Dekaden wieder auferstehen: Blass und ausgewaschen wirken etwa die Farben in einer Freibadszene – ein wenig rotstichig, wie heutzutage die Urlaubsfotos aus den 70ern; eine verrauchte Nachtclubszene erinnert ans Hollywoodkino der 40er Jahre; dann wiederum ergießt sich bonbonfarbenes Neonlicht über die Leinwand, und man man ist mitten in den 50ern. Dass er ein bisschen viel und ein bisschen beliebig zitiert, ist aber auch das Einzige, was man diesem Film vorwerfen kann.

Cinemaxx Potsdamer Platz, Cinestar Tegel, Cubix Alexanderplatz, Kosmos, Moviemento, Spreehöfe, Zoo Palast

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