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Spitzenstück. Ein Prunkkleid der Kurfürstin Magdalena Sibylla (um 1610).

© SKD/J. Karpinski

Dresdner Residenzschloss: Fürsten machen Staat

Der Renaissanceflügel des Dresdner Residenzschlosses ist wiederhergestellt: Gezeigt werden prachtvolle Hofgewänder.

Kurfürst Johann Georg I. und seine Gemahlin Magdalena Sybilla sehen den Betrachter des Gemäldes von 1620 an. Beide sind aufs Prächtigste gewandet. Rang und Reichtum werden vorgeführt, den Zeitgenossen zur Bewunderung, der Nachwelt zum Gedächtnis. Das Gemälde zählt zur Gattung des Staatsporträts, der Fürst wird im Stande seiner Herrschaft gezeigt. Und doch fällt ein unscheinbares Detail ins Auge: Das Paar hält einander zart bei den Händen. Das nun hat mit dem Staat nichts zu tun, sondern bezeugt persönliche Verbundenheit; unter den arrangierten Ehen der europäischen Fürstenhäuser keine Selbstverständlichkeit.

Dieselbe Fürstin, eine geborene Markgräfin von Brandenburg, hält auf einem weiteren, noch prächtigeren Bildnis in Lebensgröße ihren gerade zweijährigen Sohn Christian an der Hand. Vielmehr, er umklammert mit seinen Fingerchen ihren Zeigefinger. Man ist versucht, in der Szene den Vorschein weit späterer, bürgerlicher Innerlichkeit zu erblicken. Das wäre zwar schiere Projektion; dennoch rührt der Vorgang gerade inmitten der dargestellten Hochherrschaftlichkeit.

Höfischer Prunk zur Schau gestellt

Um Persönliches geht es nicht im neuen Ausstellungsbereich der Dresdner Residenz, sondern gerade um den höfischen Prunk. „Macht und Mode“ sind die neuen Räume innerhalb des Renaissanceflügels des Schlosses überschrieben. Sie zeigen erstmals die kostbaren Gewänder, die sich die sächsischen Kurfürsten und ihre Gemahlinnen im späten 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts anfertigen ließen – ein jedes für ein besonderes, zeremonielles Ereignis und darum in aller Regel nur dieses eine Mal getragen.

Dennoch wurden sie aufbewahrt: Denn mit diesem Prunk führte der Fürst seinen Rang vor, im Kreise von Seinesgleichen sowie abgestuft auch den weiteren Würdenträgern, die an der jeweiligen Festlichkeit teilnehmen durften, bis hin zum Volk, das die Straßen bei Auf- und Umzügen säumte. Die Kleider gingen in den Staatsschatz ein und wurden in der Rüstkammer bewahrt, zusammen mit Masken und Kostümen für mancherlei Festlichkeiten, und kamen erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts wieder zum Vorschein, als das 1831 eröffnete Historische Museum auch um diesen Objektbereich erweitert wurde.

Die museale Präsentation der Vergangenheit hat den Kleidern nicht gutgetan, wie Jutta Charlotte von Bloh, die – selbst ebenso dezent wie elegant gewandete – Kuratorin der neuen Dauerausstellung bedauert. Zu hell, zu feucht, sommers zu warm und winters zu kalt waren die Räume. Das ist nun ganz anders. Ein enormer technischer Aufwand wird betrieben, in Gestalt von klimatisch autonomen Vitrinen jeglicher Größe, um die in den vergangenen Jahren restaurierten Prunkgewänder dauerhaft ausstellen zu können.

12 Millionen Euro für 1200 Quadratmeter

Bei der Vorbesichtigung war die eine oder andere Vitrine noch geöffnet, und deren Spitzenstück weist gar eine herausfahrbare Schublade zur liegenden Aufbewahrung des „Landschaftsrocks“ Johann Georgs auf, während die mehrere Quadratmeter große Vitrinenhaube elektrisch angehoben werden kann. 12 Millionen Euro sind in den Innenausbau der knapp 1200 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietenden Räume einschließlich ihrer technischen Ausstattung geflossen.

Schlossarchitekt Peter Kulka, der rüstig auf die 80 zugeht, hatte die Leitung inne. Er war es, der die Erhaltung aller historischen Spuren in den kriegszerstörten Räumen durchsetzte, sodass nun ein klein wenig originales Mauerwerk des 16. Jahrhunderts mit DDR-zeitlichem Beton und heutigem Glattputz zusammenstößt und, nun ja, nicht unbedingt harmoniert. Dass auch die in Leuchtfarbe aufs blanke Mauerwerk gekritzelten Angaben von Bauleuten der unmittelbaren Gegenwart erhalten werden, wird man als persönliche Marotte des Architekten hinnehmen und gewiss eines Tages vergessen.

Das sogenannte Landschaftskleid des Kurfürsten Johann Georg I. von 1611.
Das sogenannte Landschaftskleid des Kurfürsten Johann Georg I. von 1611.

© SKD/J. Karpinski

Umso glanzvoller zeigen sich die kurfürstlichen Gewänder. Sie erreicht der Besucher erst, nachdem er sich durch proppenvoll gestellte Räume mit Prunkwaffen vorgearbeitet hat, eine Liebhaberei des Rüstkammer- und Grünes-Gewölbe-Direktors Dirk Syndram. Vor lauter Hieb- und Stichwaffen übersieht man beinahe die Prunkschwerter, mit denen die Verleihung der Kurfürstenwürde an die sächsischen Herzöge im Jahr 1423 wie auch deren Übergang auf den machthungrigen Moritz von Sachsen im Jahr 1547 besiegelt wurde. Durch Moritz, wegen seines Verrats der protestantischen Sache an den katholischen Kaiser Karl V. als „Judas von Meißen“ geschmäht, wurde Dresden zu der Residenz, als die es bis heute bewundert und besucht wird.

Den Gipfel der Kleiderprachtentfaltung erklommen jedoch erst Kurfürst Christian II., sein Nachfolger Johann Georg I. (reg. 1611–1656) und vor allem dessen Gattin Magdalena Sybilla (1586–1659). Farbenfroh ging es bei Hofe zu, grüne, gelbe, blaue Gewänder strahlen um die Wette, fallweise mit Gold und Silber durchwirkt und besetzt. Eine ganze Armada von Schneidern und Seidenstickern muss da tätig gewesen sein, eine einzige, fortwährende Luxuswarenproduktion. Sie verrät zugleich viel über die Handelsbeziehungen der Zeit: Denn die Seidenstoffe kamen aus Oberitalien, die modischen Vorbilder aus Burgund und Spanien, aus dessen neuem Weltreich auch das „Brasilholz“ stammte, das zum Färben Verwendung fand.

Reger Handel in Sachsen

Aus Spanien kommt auch das einzige pechschwarze Kleid der Sammlung: Der Rock des Kaisers Karl V., den dieser in seiner „Reisebagage“ mitführte, als er in Innsbruck, von den Truppen des nunmehr aufsässigen Moritz von Sachsen gestellt, 1550 fluchtartig die deutschen Lande gen Italien verließ und sein Gepäck in die Hände des protestantischen Kurfürsten fiel. Schwarz mit lediglich einem roten Kreuz darauf ist der kaiserliche Mantel, der vorausweist auf das düstere Zeremoniell, das sein Sohn, der Bürokratenkönig Philipp II., alsbald etablierte.

Wie anders dagegen die Sachsen. Das schon erwähnte Landschaftskleid Johann Georgs I., gefertigt zu dessen Regierungsantritt im Jahr 1611, zeigt in einem zauberhaften Besatz die sächsischen Lande in der Blüte ihres Wohlstandes, mit kanonengesichertem Dresden samt steinerner Brücke über die Elbe, auf der Segelschiffe kreuzen, mit friedlichen Schafherden und Leinenbleichen an den Hängen, dazu der Jagd auf gülden leuchtende Wildschweine. Das Ganze auf türkisblauem Fond wird beidseits des geöffneten Rocks spiegelbildlich wiederholt. Man versteht, warum Kuratorin von Bloh von der „Einmaligkeit“ des Dresdner Bestandes schwärmt, den sie ohne Umschweife zum „europäischen Kulturerbe“ erklärt.

Es ist ein Wunder, dass die empfindlichen Kleider den Zweiten Weltkrieg überstanden, jedenfalls in der Mehrzahl – das atemberaubende Kleid, das Magdalena Sybilla auf dem Bildnis mit kleinem Sohn trägt, zählt leider zu den Verlusten –, und dass sie jetzt, unter so viel glücklicheren Umständen, wieder gezeigt werden können, nicht bei Hofe, sondern demokratisch für jedermann. Beschwingt verlässt man das Schloss, das in nur vier weiteren Jahren vollständig wiederhergestellt sein soll. In die Renaissancefassaden des Großen Schlosshofes eingeschrieben stehen Jahreszahlen in römischen Ziffern. 2021 kann hoffentlich diese Zahl hinzugefügt werden, für eine der unwahrscheinlichsten und beglückendsten Wiedergeburten nach dem Zweiten Weltkrieg: der des Weltkulturerbes Dresdner Residenz.

Dresden, Residenzschloss, tgl. außer Di 10–18 Uhr. Mehr Infos unter www.skd.museum.de

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