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Kultur: Dünn & dünner

Im Kino: „Der Maschinist“ von Brad Anderson

Der eigene Körper ist für Schauspieler das wichtigste Instrument. Er wird gepflegt und geschunden und unterliegt der permanenten öffentlichen Kontrolle. Dabei hungern sich Schauspielerinnen wie Helen Hunt schon einmal ins anorektische Karriereabseits, während Robert De Niro in „Raging Bull“ mit angefressenem Schwabbelbauch Filmgeschichte schreiben darf. Erst in den letzten Jahren hat sich die diätische Rollenverteilung im Kino etwas verschoben. Den Anfang machte Renée Zellweger, die sich für „Bridget Jones“ einen respektablen Kummerspeckgürtel zulegte, gefolgt von Charlize Theron, die ihren Luxusmodelkörper mit Chips und Bier mästete und für so viel Aufopferungsbereitschaft mit dem Oscar belohnt wurde.

Christian Bale setzt nun mit seiner Performance in Brad Andersons „Der Maschinist“ neue Maßstäbe der körperlichen Selbstaufgabe. Dreißig Kilo hat sich der dekadente Schönling aus „American Psycho“ und zukünftige „Batman“-Darsteller für die Rolle des von Schlaflosigkeit geplagten Industriearbeiters Trevor Reznik herunter gehungert. Sein Körper: Haut und Knochen. Die Wangen: eingefallen. Die Augenhöhlen: dunkle Krater im Schädel.

Das schmerzende Bild ruft die Erinnerung an die abgemagerten Überlebenden der Konzentrationslager wach. Doch je tiefer sich der Film in Rezniks zerklüftete Seelenstruktur hineinarbeitet, desto stärker tritt das Äußere in den Hintergrund. Denn Anderson verschreibt sich ganz der paranoiden Wahrnehmung seiner Hauptfigur, die sich mit Schlaf- und Nahrungsentzug geißelt und selbst keine Erklärung dafür findet.

Da färbt sich die Leinwand schon mal grün ein, wenn Reznik Gefahr wittert. Oder ein Kühlschrank fängt plötzlich an zu bluten. Dann wieder wirkt die Fabrikhalle, in der Reznik an der Stanzmaschine arbeitet, wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch. Und der feiste Typ dort drüben an der Drehbank grinst ihn wie der leibhaftige Mephisto an. Es hitchcockt, lyncht und finchert ganz gewaltig in diesem Horrorgemälde der Schlaflosigkeit. Aber auch wenn Anderson das Kino nicht neu erfindet, überzeugt seine Story über verdrängte Schuld und schmerzende Einsamkeit durch die ästhetische Konsequenz, mit der er die kaputte Seele seiner Figur nach außen stülpt.

„Werde nicht noch dünner, sonst bist du nicht mehr zu sehen“, sagt die Prostituierte Stevie (Jennifer Jason Leigh) einmal zu Reznik und formuliert damit dessen tiefe Sehnsucht, sich in sich selbst auflösen zu wollen. Und Andersons Film findet für diese Poesie der Selbstzerstörung stilsichere Bildkompositionen. Einzig das Ende verstimmt: Wie so häufig, wird die Geschichte mit arg buchhalterischer Genauigkeit enträtselt. Und schon ist das Eigenleben, das der Film im Kopf des Zuschauers entwickelt hat, weitgehend dahin.

In Berlin im Cinemaxx Potsdamer Platz, Eiszeit, Kulturbrauerei, Rollberg und Zoo Palast; OmU im Acud, Originalfassung im Cinestar SonyCenter

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