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Kultur: Duits is cool

Streichholzschächtelchen ist das deutsche Lieblingswort von Linda de Mol. Sie hat Recht.

Streichholzschächtelchen ist das deutsche Lieblingswort von Linda de Mol. Sie hat Recht. Es ist ein rührendes Wort, unpraktisch lang für so ein kleines Ding. Streichholzschächtelchen ist mit seiner raschen Reihung von z, sch und ch ein richtiger Zungenbrecher für Ausländer. Man muss also trainieren. Die Morgengymnastik einer Deutsch lernenden Niederländerin: zehnmal Streichholzschächtelchen sagen. Dann Frühstück.

An diesem Freitag wird in den Niederlanden der „Tag der deutschen Sprache“ gefeiert, mit deutschen Liedern, Projekten, Speisen und schwarz-rot-gelben Ballons. Geschäfte twittern auf Deutsch und schicken ihre Deutsch sprechenden Mitarbeiter in die Schulen. Die „Mach mit!“-Kampagne soll Schüler motivieren, Deutsch zu lernen. Denn die Sprache verschwindet aus Holland. In den Schulen wird das Fach nur selten belegt, und an den Universitäten kommen nur etwa 60 neue Deutsch-Studenten pro Jahr hinzu. Dabei ist Deutschland der wichtigste Geschäftspartner der Niederlande. Die Handelskammern beider Nationen schätzen den Verlust durch das Fehlen Deutsch sprechender Arbeitskräfte in den Niederlanden auf acht Milliarden Euro.

Deutsch ist nicht einfach für uns Niederländer, obwohl die Sprachen ähnlich klingen und Amerikaner manchmal der Ansicht sind, Niederländisch sei ein komischer deutscher Dialekt. Schwierigkeiten gibt es nicht nur bei den sogenannten falschen Freunden, wie meer, das niederländische Wort für See, und zee, das Wort für Meer. Kompliziert ist auch, dass Grammatik und Satzbau sich stark unterscheiden. Je besser ein Niederländer Deutsch lernt, desto bewusster wird ihm, dass wirklich gutes Deutsch einen erheblichen Aufwand erfordert. Die meisten bleiben bei einer Art Niederdeutsch hängen. Vielleicht spricht der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ja deshalb Englisch, wenn er Angela Merkel trifft.

Dass die Niederländer kein Deutsch lernen, liegt also nicht daran, dass sie die Deutschen nicht leiden können. Wie alle Europäer lieben junge Niederländer Berlin. Und bei der Fußball-WM 2006 feuerten sie die Deutschen an, nachdem ihr eigenes Team ausgeschieden war. Leider spürt man diese Begeisterung nicht beim Grammatikunterricht. Das soll die Kampagne jetzt ändern. Deutsch reden soll cool werden. Das englische Wort verweist auf das Hauptproblem: Niederländer sollen Deutsch lernen wegen der wirtschaftlichen Dominanz Deutschlands. Aber wegen der kulturellen Dominanz der USA brauchen sie es nicht wirklich. Das ist überall in Europa ähnlich – auch in Deutschland spricht man gutes Englisch.

Eine Sprache lernt man nicht nur, weil man es muss, sondern weil man es möchte. Deutsch lernen hat auch mit Poesie zu tun, mit den zielsicheren, schwungvollen Wörtern, die man sofort liebt: Ponyhof. Selbstdarsteller. Jammergestalt. Schreibtischtäter. Verschlimmbesserung. Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ein Wort so lang, dass jemand, der das Syndrom hat, es nie ganz hören kann). Und ja, sicher auch Streichholzschächtelchen.

Maartje Somers feiert den „Tag der deutschen Sprache“

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