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Kultur: Dunkelmänner

Ganz unten: Al Pacino brilliert in Christopher Nolans „Insomnia“

Von Martin Schwickert

„Es gibt zwei Sorten von Menschen in Alaska“, sagt die Hotelbesitzerin, „die, die hier geboren sind, und die, die vor etwas weglaufen.“ Auch Dormer (Al Pacino) ist auf der Flucht. Zu Hause in Los Angeles ermittelt die Aufsichtsbehörde gegen den Star-Cop aus dem L.A.P.D. Um ihn aus der Schusslinie zu bringen, hat man Dormer und seinen Partner Hap (Martin Donavan) als Leiharbeiter an den nördlichen Polarkreis geschickt. Im Alaskastädtchen Nightmute sollen die Großstadtdschungeldetektive bei der Aufklärung eines Mädchenmordes helfen.

Als die Polizei dem Mörder eine Falle stellt, kommt es zur Schießerei in nebliger Küstenlandschaft. Dabei tötet Dormer versehentlich seinen Kollegen, der ihm am Abend zuvor die verschwiegene Loyalität aufgekündigt hat. Mit fingierten Beweistücken hängt Dormer dem flüchtigen Tatverdächtigen (Robin Williams) den Todesschuss an. Als der direkten Kontakt aufnimmt und den Polizisten zu erpressen versucht, kommt es zur unheilvollen Allianz zwischen beiden.

Regisseur Christopher Nolan hat zuletzt mit seinem somnambulen Gedächtnisthriller „Memento“ auf sich aufmerksam gemacht. In „Insomnia“ – ein Remake des gleichnamigen Films des Norwegers Erik Skjoldbjaerg aus dem Jahre 1997 – wird nun das helle Licht des Tages zur Alptraumzone der Hauptfigur. Die arktische Mitternachtssonne scheint ohne Unterlass, raubt dem ausgebrannten Cop den Schlaf und die Möglichkeit, sein Geheimnis in rettender Dunkelheit zu verstecken. Während Thrillerkollegen wie David Fincher das moralische Dilemma ihrer Figuren in düsteren Sittengemälden schildern, ist es in „Insomnia“ die unnachgiebige Helligkeit, die den Helden in die Verzweiflung treibt. Bewaffnet mit einer Rolle Klebeband versucht Dormer im Hotelzimmer vergeblich das Eindringen der Sonnenstrahlen durch das löchrige Rollo zu verhindern. Schlaflosigkeit und permanenter Lichteinfall zersetzten sukzessive auch den Glauben an die eigene Schuldlosigkeit.

Al Pacino ist kein Mann schauspielerischen „Understatements“, aber hier fährt er die Triebwerke herunter und kommt derart überzeugend auf den Hund, dass man glaubt, in der Tiefe seiner Augenringe versinken zu müssen. Selbst Robin Williams überzeugt als gewiefter Fiesling. In „Memento“ war es der klug gebaute Plot, der mit der hypnotischen Optik verschmolzen ist. Hier ist es Pacinos schauspielerische Präzision, die zusammen mit dem stringenten visuellen Konzept eine enorme filmische Sogwirkung freisetzt. „Insomnia“ ist ein Thriller, dessen Handlung man vielleicht schnell vergessen hat, dessen betörend lichtkalte Stimmung sich jedoch für immer ins filmische Gedächtnis einbrennt.

In 20 Berliner Kinos, OV im CinemaxX Potsdamer Platz, CineStar Sony-Center und Yorck

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