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Kultur: Dunkelmänner

Das Theater 89 feiert Jubiläum mit „Effi Briest“

Träumerisch habe er das Ganze heruntergeschrieben, teilte Theodor Fontane 1895 in einem Brief mit. „Das Ganze“ ist der Roman „Effi Briest“. Darf man dem Autor trauen, wenn er schreibt, die Geschichte sei ihm „ohne rechte Überlegung und ohne alle Kritik wie von selbst gekommen“? Effi Briest, ein fröhliches 17-jähriges Mädchen, in eine standesgemäße Ehe mit dem Jahrzehnte älteren Baron von Innstetten gestoßen, wird eingeschüchtert, seiner Würde beraubt und in den Tod getrieben. Ist das „träumerisch“?

Fontane weiß um die Last gesellschaftlicher Konvention. Er versucht, sie im ruhigen Erzählton durch Humor, Güte, auch Spökenkiekerei erträglich zu machen. Widerstand, unbedingte Größe mag er von seinen Helden nicht fordern. Die ergeben sich ins Notwendige – und Effi, sagt Pastor Niemeyer, kommt dafür in den Himmel.

Diese Versicherung wird, in der Dramatisierung des Berliner Theater 89, nur geflüstert. Und Effi darf noch einmal auf die Schaukel, ehe Dunkel über die Szene fällt. Begonnen hatte das Spiel heiter, am hellen Spätnachmittag, auf der Terrasse vor dem ehemaligen Offizierskasino – in Altes Lager, Gemeinde Niedergörsdorf, bei Jüterbog. Hans-Joachim Franks Inszenierung beginnt im Garten, mit einer unangreifbaren wie selbstverständlichen Naivität (Effi und ihre Freundinnen werden von jungen Laien gespielt), und siedelt dann ins Haus über, ins Dunkel. Hier herrscht der Chinese, die Spukgestalt in Effis Albträumen. Frank geht es nicht um einen gesellschaftlichen Zustand, sondern um ein psychisches Experiment. Effis Fröhlichkeit, Freiheit, Unabhängigkeit wird durch allerlei Gespensterkram Stück um Stück ausgehöhlt.

Immer wieder versucht Frank, in die Innenräume der Figuren vorzudringen. Versuch über die Einsamkeit: Oft sind die Spieler weit voneinander getrennt, Leid und Zorn lauern in langen Monologen. Christina Große, die der „Garten“-Effi der Sophie Antoinette Beccard folgt, zeigt Fontanes Heldin herb, zupackend neugierig und leidenschaftlich, den Zauber der Figur aber streift sie nur. Vielleicht, weil Eckhard Becker als Innstetten eher den angeberischen Draufgänger, den gesund in sich Ruhenden als den grüblerisch vom Standesdünkel beherrschten preußischen Musterbeamten gibt. Und so genau das große Ensemble den Besonderheiten und Verschrobenheiten der Romanfiguren auch nahe zu kommen sucht, bleibt doch eine merkwürdig emotionale Distanz zu der Geschichte.

Das Theater 89 ist mit dieser „Effi Briest“ an die Grenzen seiner Möglichkeiten gegangen. Es feiert 15 Jahre Theaterarbeit – und damit 53 vielfach ausgezeichnete Aufführungen, darunter 19 Uraufführungen.

Vorstellungen jeweils 18 Uhr am 21., 22., 24. und 25. August. Tel. 030/282 46 56

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