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Kultur: Durch Berlin gleiten

„Temporary Import“: die Sonderschau auf dem 10. Art Forum

Nett sehen die Drei aus, wie sie da mit ihren bedruckten T-Shirts hinter der kleinen Verkaufstheke stehen und mitten auf der Kunstmesse augenzwinkernd Surfbrett-Wachs anbieten. Im Auftrag ihrer amerikanischen Professorin Rita McBride war das Trio von der Düsseldorfer Kunstakademie in diesem Sommer in Spanien unterwegs, hat dort surfen gelernt und eigene Bretter gebaut. Die hängen nun hinter ihnen, worauf sie stolz verweisen, daneben ein Gemälde des Kaliforniers Glen Rubsamen mit Palmen vor einem grün-gelbem Sonnenuntergang, der perfekt zur Surfer-Ästhetik passt.

Sonne, Surfen, Spanien – das hat offensichtlich allen gut getan. Aber was noch wichtiger ist, sonst würden die drei McBride-Entsandten hier nicht unter einem Rubsamen-Werk stehen: Berlin tut gut! Art-Forum-Chefin Sabrina van der Ley wird nicht müde, das zu betonen, um Galeristen in die Stadt zu locken. Zunächst aber waren da die Künstler. Und was sie für die Kunstmetropole Berlin bedeuten, davon versucht die Sonderausstellung der Messe eine Ahnung zu geben und ihren Beitrag zum Galerienwunder der Stadt noch einmal zu würdigen.

Nachdem Zdenek Felix im vergangenen Jahr die Stadt mit „Made in Berlin“ als Produktionsstätte bereits gepriesen hat, rückt Susanne Titz, Direktorin des Mönchengladbacher Abteiberg–Museums, als Gastkuratorin nun die internationalen Künstler in den Fokus. Schon vor dem Mauerfall haben daad und Künstlerhaus Bethanien Stipendiaten aus dem Ausland in die Stadt geholt, von denen viele blieben, insbesondere seit den neunziger Jahren. Sie bilden eine einmalige „artist community“, die Berlin neben den niedrigen Unterhaltskosten zu einem der weltweit attraktivsten Künstlerstandorte macht, wie nicht zuletzt die Teilnehmerliste der Biennale di Venezia verrät.

Da liegt es nahe, im Jubiläumsjahr des Art Forums anhand der Stipendiatenliste der letzten zehn Jahre von daad und Bethanien eine Ausstellung zu destillieren. Wer sie in der neu hinzugewonnenen Messehalle 17 besucht, fragt sich allerdings recht bald, warum nicht schon vorher jemand von den Institutionen selbst, von den Museen und Kunstvereinen der Stadt auf diese Idee gekommen ist. Und: Warum „Temporary Import“ nicht noch einmal woanders, länger als fünf Messetage zu sehen ist. Denn hier versammelt sich ein Potenzial und eine Qualität, wie sie großen Ausstellungshäusern gut zu Gesichte steht. So darf auch die Ausstellungsarchitektur von Simon Dybbroe Møller als Anspielung auf den Nicht-Ort für eine klassische Kunstschau verstanden werden.

Der junge Däne knautschte im Modell die leeren Kojen und Stellwände zusammen und entwickelte aus den so entstandenen Zufallsräumen den Aufbau für die originale Messehalle. Dabei haben sich immer wieder Nischen und Ecken gebildet, in denen zwar die Videoarbeiten gut zur Geltung kommen, allerdings Malerei, Fotografie an den äußeren Ecken ebenso wie Vittorio Santoros Installation mit der sinnigen Neonschrift „What proves you are here“ abgedrängt erscheinen. Es sei denn, man macht aus der Not eine Tugend und beginnt wild die Wände in braun zu bepinseln und in spitze Winkel grüne Glühbirnen zu hängen wie der jüngste Teilnehmer, Andreas Golder aus Jekaterinenburg. Der 26-jährige UdK- Student hat auf diese Weise mit seinen Gemälden ein Ensemble geschaffen, das es problemlos mit der Installation des Schweizer Großmeisters Thomas Hirschhorn aufnimmt.

Knapp fünfzig Künstler aus 25 Ländern fährt die Ausstellung auf. Es ist ein Hopping zwischen Namen und Nationen, Genres und Generationen. Den Beginn markiert der 72-jährige William Anastasi mit seinen zittrigen Subway-Drawings, die der amerikanische Minimalist in der rumpelnden U-Bahn auf dem Weg zu seinem Schachpartner John Cage anfertigte, daneben eine Schüttung aus zwei Gallonen schwarzer Farbe. Vis-à-vis von ihm klebt die Chinesin Qin Yufen Tag für Tag Zeitungsseiten an die Wand, darüber jeweils eine Schicht Reispapier. In ihrer poetischen Verarbeitung des Alltags reichen sich die beiden quer über die Kontinente, quer über den Messeflur die Hand.

Solch stimmungsvolle Nachbarschaften sind eher selten, und doch gelingt der Ausstellung ein hohes Maß an Konzentration auf das Einzelwerk, etwa das Filmporträt „Violetta“ des Belgiers David Claerbout oder die großartige Videoinstallation seiner Landsmännin Anne-Mie van Kerckhoven. Nur schade, dass weder auf Herkunft, Alter noch Zeit des Berlin-Aufenthalts der jeweiligen Künstler hingewiesen und damit die eigentliche Idee, der Zusammenhalt des Ganzen, verschenkt wird. Dafür stehen die Namen der Galerien gut lesbar auf den Schildern. Schließlich soll der Besucher auf dem Art Forum nicht nur gucken, sondern vor allem kaufen.

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