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Kultur: Durch die Fensterscheibe

Arbeiten des New Yorker Fotografen und Künstlers Saul Leiter in der Galerie Springer

Wer in Deutschland hat bislang von Saul Leiter gehört? Nur wenige, und auch sie erst seitdem die Hamburger Deichtorhallen im vergangenen Jahr das Werk des Fotografen und Malers, der nach dem Willen des Vaters ein Rabbi werden sollte, entdeckten. Dabei hatte der 1923 in Pittsburgh, Pennsylvania, Geborene früh auf sich aufmerksam gemacht. 1953 präsentierte Edward Streichen den jungen Künstler in der Gruppenausstellung „Always the Young Strangers“ im Moma. Doch dann klafft eine große Lücke bis ins Jahr 1993, als die Howard Greenberg Gallery in New York  die schwarzweißen, vier Jahre später die Farbaufnahmen des sich schon vergessen wähnenden Altmeisters aus der Versenkung holte. Es folgten Ausstellungen von Moskau bis Lausanne und nun die erste in Berlin.

Den Grund für Leiters Verschwinden von der Kunstszene findet man in einem Schwarzweißbild aus dem Jahr 1949 vorgezeichnet, wo sich der Fotograf im Spiegel der Schaufensterscheibe eines Modegeschäfts zwischen zwei Kleiderpuppen porträtiert hat. Spiegelszenen gibt es viele in der von Springer getroffenen Auswahl, aber in dieser frühen scheint das Abdriften zur einträglichen Modefotografie schon manifest. Auch andere große Fotografen Amerikas, zum Beispiel der gleichaltrige Richard Avedon, waren sich für ein Zubrot in der Werbebranche nicht zu schade, Leiter jedoch wurde von 1958 bis 1967 von der Arbeit für „Harpers Bazar“ fast völlig in Beschlag genommen. Den Wert seines Frühwerks kann dies nicht schmälern, zudem er  zwischen beiden Feldern wohl keine scharfe Trennlinie gezogen hat. Ihn interessierte immer der malerische Effekt, den er beim Blick auf vorbeirauschende Taxis und U-Bahn-Züge, Passanten im Schnee, ein grünes Ampellicht oder (durch regennasse Scheiben) in Bars, Bistros und natürlich Konfektionsgeschäfte erzielte.

Man kann sich dem Reiz dieser meisterhaften Farbkompositionen, bei denen noch kein Computerprogramm Pate stand, nicht entziehen, auch wenn sie kaum etwas über die Zeit aussagen. Über die New Yorker City scheint Leiter kaum hinausgekommen, sie bot dem neugierigen Flaneur genug Impressionen in ungetrübter Heiterkeit. Wie gelöst er sich dabei dem Zufall überlassen konnte, lässt sich an den Bildunterschriften ablesen: „Mr.“, der Anfang einer Geschäftsbezeichnung auf der Jalousie über einem Bürgersteig mit schemenhaften Passanten, oder „Red Umbrella“, eine Frau schützt sich mit ihrem roten Schirm gegen den Schnee. Einzig eine Schwarzweißaufnahme aus dem Jahr 1947 fängt einmal den Blick eines Menschen auf, einer „Kim“, die vom Betonfußboden eines Klosters, den Kopf auf eine Hand gestützt, zum Fotografen aufschaut, wobei die schwarze Haarflut, Schal und Mantel den Eindruck völliger Gelassenheit vollenden. Wie sehr es Leiter dann doch zur Farbe zog, bezeugen die acht wie hingetupften Gouachen bei Springer. Hier hinterlässt sein Wille zu Komposition und Impression den stärksten Eindruck. (Preis je Fotografie: 4.000-8.000 Euro, je Gouache: 8.000-13.000 Euro)

Wer mehr über seine Person erfahren möchte, sollte sich den Dokumentarfilm „In No Great Hurry. 13 Lessons of Life with Paul Leiter" von Tomas Leach ansehen, der am 29. November noch einmal in der Galerie (20 Uhr, Anmeldung telefonisch oder per Mail) zu sehen ist.

Galerie Springer, Fasanenstr. 13, bis 30.11., Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 12-15 Uhr

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