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Die Schriftstellerin Jun-hee (Lee Hye-young, mitte) möchte mit der Schauspielerin Kil-soo (Kim Min-hee) einen Film drehen, um ihre Schreibblockade zu überwinden.

© Jeonwonsa Film

Ein Bärengewinner: “A Novelist’s Film”: Die Kunst, das Leben zu spielen

Der koreanische Regisseur Hong Sang-soo ist ein Stammgast auf der Berlinale. Mit “A Novelist’s Film” hat er dieses Jahr den Großen Preis der Jury gewonnen.

Die Filme des koreanischen Regisseurs Hong Sang-soo, ein echter Stammgast der Berlinale, muten meist an, als wären sie nur die Vorbereitungen zu einem Film. Es stehen oder sitzen dort Menschen in einem Innen- oder Außenraum, tauschen Höflichkeiten aus und sprechen über dies und das – als hätte man sie nur für einen ersten Kameratest gebucht, bevor später die echten Schauspieler und die großen Dramen an ihre Stelle treten. Der Zauber von Hongs Kino ist: Ehe man sich versieht, ist ein Film vorbeigezogen, der sich gar nicht mehr nach Stellprobe, dafür sehr nach dem Leben selbst anfühlt.

Hongs Filme gehen im Kleinen den großen Dingen auf den Grund, auch sein neuestes Werk “A Novelist’s Film”, für den er am Mittwoch den Großen Preis der Jury gewonnen hat, bildet da keine Ausnahme. Wie der Titel schon nahelegt, geht es hier auch thematisch um die Vorbereitungen zu einem Film. Diesen Film will Jun-hee (Lee Hye-young) realisieren, die eigentlich Schriftstellerin ist, aber gerade unter einer Schreibblockade leidet.

Als sie das während der für Hongs Kino fast obligatorischen Trinkszene gesteht, ist schon ganz schön viel Film vorbeigezogen, nähert sich der sonnige Wintertag, in ein gleißend überbelichtetes Schwarzweiß getaucht, schon langsam seinem Ende. Jun-hee hat bei der Rückkehr in ihren früheren Wohnort bereits eine alte Freundin getroffen, die sich einst rar machte, einen Regisseur, der die Verfilmung eines ihrer Bücher abbrach, und schließlich noch einen Dichter, mit dem eine Affäre mal ein unrühmliches Ende fand.

Höfliche Dialoge und betretene Blicke

Die alten Enttäuschungen brauchen jeweils nicht lange, um sich ihren Weg in die scheinbar höflichen Dialoge und betretenen Blicke zu bahnen. Als die Schriftstellerin und der Regisseur beim Spaziergang auf die Schauspielerin Kil-soo (Kim Min-hee) treffen, wird Jun-hee sogar regelrecht wütend. Kil-soo sei doch kein Kind mehr, mokiert sie sich darüber, dass der ältere Mann bedauert, dass die jüngere Frau ihr Talent vergeude, weil sie keine Filme mehr dreht. Damit ist das Band geknüpft, das sich des restlichen Films bemächtigt: Die Schriftstellerin, die nicht mehr schreiben will, erzählt von einer Kurzfilmidee, die sie jetzt realisieren möchte, mit der Schauspielerin, die nicht mehr spielen will.

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(17.2., 18 Uhr Friedrichstadt-Palast), 18.2. 15 Uhr (Urania), 19.2., 15 Uhr (Berlinale Palast), 20.2., 20.30 Uhr (International))

Auch in “The Novelist’s Film” kreisen die Gespräche des Figurenensembles immer wieder um das Verhältnis von Kunst und Leben, und reflektieren damit auch Hongs Kino selbst. Wenn Jun-hee als Grund für ihre Blockade ausmacht, dass sie zunehmend das Gefühl hat, zu übertreiben, alles mit zu viel Bedeutung aufzuladen, dann erscheinen Hongs Filme umso strahlender als Übungen in Bescheidenheit. Und wenn sie ihren geplanten Kurzfilm beschreibt – sie will die Darsteller mit der Kamera nur beobachten, aber trotzdem eine Geschichte für ihre Figuren schreiben –, dann klingt das verdächtig nach Hongs eigener Arbeitsweise.

Auch die Pandemie bekommt Hong ganz mühelos in sein Kino eingeflochten. Der Moment, wenn sich zwei Figuren wiedererkennen, erfährt durch den Mund-Nasenschutz einen spannende Verzögerung. Und das verlegene Zurechtrücken der Maske ist für das Porträtieren sozialer Unbeholfenheit ein echtes Geschenk. Auch dieses Mal wird man erst gegen Ende allmählich gewahr, was da vor dem eigenen Auge ganz beiläufig entstanden ist. Und ganz am Schluss lässt Hong sogar noch etwas Farbe ins Bild, gibt uns einen kleinen Einblick in den Film einer Schriftstellerin.

Till Kadritzke

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