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Foto: Wolfgang Kumm, dpa

© picture-alliance/ dpa

Kultur: Ein Brausen am Rande der Stille

Claudio Abbado bei den Berliner Philharmonikern

Claudio Abbados zerbrechlich feine Gestalt beherbergt einen entschlossenen Geist. Der 77-Jährige gründet neue Orchester, glaubt der italienischen Regierung ein Konzerthaus abringen zu können und will nach 20 Jahren Absenz wieder an der Scala dirigieren. Dabei hält er Musikern, die seine kammermusikalische Sicht des Musizierens teilen, die Treue. Wenn er diesmal zu den Berliner Philharmonikern reist, hat er Lucas Macias Navarro dabei, den Solo-Oboisten seines Orchestra Mozart – und Maurizio Pollini. Tatsächlich haben die Weggefährten ein Stück ausfindig machen können, das sie noch nie gemeinsam aufgeführt haben: Mozarts Klavierkonzert G-Dur KV 453, eine schwelgerische Sinfonie mit Flügel und zart perlender Melancholie. So gelassen und zugleich präzise hat man Pollini lange nicht gehört. Das Nervenflattern ist ganz in ein feinnerviges Spiel sublimiert, das kein Auftrumpfen mehr nötig hat. Zusammen mit Abbado entsteht ein Wunder der Reprise, der unmerklichen Veränderung, des Klang-Erblühens.

Nach dem schwankenden Tonfall nahe der Ohnmacht musste Anna Prohaska in Mozarts Sopranarie „Vorrei spiegarvi, oh Dio“ noch suchen. In Bergs symphonischen Lulu-Stücken schimmerte sie dann unerreichbar durch die Orchesterfluten, die Abbado mit sanftem Wink auslöst. Ein Brausen am Rande der Stille, das immer da zu sein scheint und von den Philharmonikern für kurze Zeit in den Bereich des Hörbaren transformiert wird. So beginnt auch das Adagio aus Mahlers Zehnter, der am weitesten gediehene Teil des Fragments. Abbado, der Skrupulöse, dirigiert es erstmals bei den Philharmonikern. Und lässt alle Strenge bei diesem Blick in eine andere Welt beiseite. Die Dissonanzen darin sind ihm kein steinernes Mahnmal der Moderne, er fächert den Klang auf in strahlende Vielfalt. Stehende Ovationen. Ulrich Amling

Noch einmal am heutigen Sonntag (ausverkauft). Am 18.5. dirigiert Abbado ein Sonderkonzert zu Mahlers 100. Todestag bei den Philharmonikern. Es gibt Restkarten, Arte überträgt live, Beginn 20 Uhr.

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