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Kultur: Ein Film für Lästerer, die doch noch in den Himmel kommen wollen

Am Anfang der Aufruf an alle Filmkritiker und Gläubigen, so zu werden wie Gott. Habt Humor!

Am Anfang der Aufruf an alle Filmkritiker und Gläubigen, so zu werden wie Gott. Habt Humor! Die Schöpfer dieses Films sind überzeugt, dass Gott sehr witzig war, denn er schuf das Schnabeltier. Sie verbinden damit die Hoffnung, Gott möge ihnen diesen Film verzeihen. Oder zumindest die Filmkritiker. Aber vielleicht wollte Gott das Schnabeltier nur bestrafen?

Sehr unwahrscheinlich, dass Gott lacht. Lachen und Unvollkommenheit sind eins. Ein vollkommenes Wesen hat nichts zu lachen. Vor allem aber: Worüber sollte es lachen in "Dogma"? Bei Monty Pythons "Das Leben des Brian" hätte man das sagen können, in jeder Szene. Gott, sieh mal ...! Jeder kennt "Das Leben des Brian". Nur Gott nicht? Das wäre unvollkommen.

Aber "Dogma" sollten wir ihm nicht zeigen. Nicht, weil Kevin Smith, der Regisseur ("Clerks", "Chasing Amy"), keine Strafe verdient hätte. Nur Gott würde uns dann nicht mehr ernst nehmen. Vielleicht waren die Menschen über die Jahrhunderte hinweg nur in ihren Widerlegungen Gottes wirklich gottgleich. Welche Brillanz, welch metaphysischer Furor noch in seinen Abschaffungen. Und nun das.

Lustig an "Dogma" ist nur der Vorspann. Und vielleicht die Szene, wo die Frauen-sind-Mörder-!-Demo der Abtreibungsgegner gegen die Mein-Bauch-gehört-mir!-Aktivbrigade Fußball spielen will. Nun gut, auch der Anfang ist nicht schlecht. Ein ältlicher Kardinal erfindet die Catholicism-Whow!-Bewegung und enthüllt das neue, zeitgemäße Kruzifix: den Kumpel Jesus. Er sieht ungefähr so aus wie der Edeka-Mann, den Daumen himmelwärts.

Doch nun sollte man gehen. Denn es kommen die beiden gefallenen Engel Loki (Matt Damon) und Bartleby (Ben Afflek), deren Gefallenheit man schon an ihren Baseballschlägern und äußerster Brutalität erkennt. Sie wollen zurück in den Himmel. Gegen Gottes Willen. Also braucht Gott - eine Art neuen Heiland, richtig. Und beauftragt Bethany, eine nicht mehr ganz junge, vom Leben enttäuschte Abtreibungsärztin. Sie sei der "letzte Nachfahre" Jesu.

Kevin Smith filmt biblischen Trash fürs Jahr 2000. Trash ist der schlechte Geschmack als Kunstform. Wenn er gelingt. Vielleicht haben deshalb Intellektuelle eine besondere Neigung zum Trash. Das Sich-gehen-lassen als ästhetisches Ereignis. Spiel eben, nur viel gemeiner als bei Kant und Schiller. Das absolut Ungeistige wird zum Widerpart des Geistigen. Darum muss man es durchhalten. Aber Kevin Smith denkt keine Minute daran. Er meint es immer zugleich wenigstens ein bisschen ernst. Diese Mischung ist unerträglich.

Die beiden Parteien sind bald komplett. Loki und Bartleby auf der einen Seite; die Abtreibungsärztin, die Stimme Gottes (Alanis Morisette!), der vergessene 13. Apostel Rufus (schwarz: Chris Rock) sowie zwei infantile Propheten auf der anderen. Wer wird schneller in New Jersey sein, wo sich gerade das Loch der Schöpfung befindet, durch das Loki und Bartleby entweichen wollen?

Selbst der Golgatha-Shit-Dämon, dessen Konsistenz der Name verrät, rettet nichts mehr. Denn auch er soll noch immer Dämon sein, und das Weltgericht am Ende - wirklich Weltgericht. Das Unwiderstehliche an Monty Python war seine bis zur Unkenntlichkeit entstellte Intelligenz. Das Unausstehliche an "Dogma" ist seine Einfalt. Wenn unser Weltbild zum Comicstrip geworden ist, erkennen wir den Comicstrip nicht mehr. Das ist die eigentliche Tragödie.In 18 Berliner Kinos; Cinemaxx Potsdamer Platz (OV), Neues Off (OmU)

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