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Kultur: Ein Freund, ein guter Feind

Christine Wahl über Kriege und Karten beim Theatertreffen

Das Theatertreffen geht in die zweite Woche, und so viel lässt sich bereits jetzt sagen: Das Veranstaltungsmotto Unter Freunden hat sich bislang nicht eingelöst. Weder Nicolas Stemanns RAF-Revue Ulrike Maria Stuart nach Elfriede Jelinek noch Andreas Kriegenburgs Abgesang auf (linke) Utopien in Die schmutzigen Hände ließ Kumpelgefühle aufkommen. Glücklicherweise, möchte man sagen. Der zufriedene Mensch verfügt nicht eben zwangsläufig über das dramatischste Potenzial. Wer möchte schon eine Spießerrevue politisch korrekter Langweiler sehen, die sich alle verstehen?

Man darf sich des Mordens und Intrigierens auf der Theatertreffen-Bühne auch weiterhin gewiss sein: Michael Thalheimers Orestie vom Deutschen Theater Berlin (12., 13., 15. und 16.5., 20 Uhr) lässt mit ihren innerfamiliären blutigen Attentaten jedenfalls jegliche Resthoffnung auf buchstäbliche Nächstenliebe fahren. Weniger blutig, dafür aber umso narzisstischer geht es bei Jan Bosses Bühnenadaption des berühmten Goetheschen Selbstmörder-Briefromans Die Leiden des jungen Werthers im Maxim-Gorki-Theater (12. bis 14.5., 19.30 Uhr) zu. Und dass hier Narzissmus hin oder her zwei Männer überdies mit allen erdenklichen Mitteln um die begehrte Lotte in Gestalt Fritzi Haberlandts konkurrieren, darf auch als satte Widerlegung des Unter Freunden-Mottos verstanden werden. Oder doch nicht?

Dass mit dem Netten kein (dramatischer) Staat zu machen ist, beweisen schließlich auch die Jungautoren, deren Dramen beim Stückemarkt vorgestellt werden. Mit einem Drama, dessen Witz nicht frei von erfrischender Bösartigkeit ist, eröffnet jedenfalls die 1975 geborene Türkin Müserref Öztürk Cetindogan heute um 19.30 Uhr im Festspielhaus den Lesungsreigen, für dessen szenische Umsetzung Regisseure wie Andreas Kriegenburg oder Lars-Ole Walburg sowie Schauspieler à la Kathrin Angerer oder Samuel Finzi gewonnen wurden. Die junge türkische Autorin nimmt in ihrer Groteske Eine Migrantenhochzeit, in der ein in Deutschland lebender Türke eine Zweckehe mit einer nach Deutschland einreisewilligen Türkin eingeht, jedenfalls sämtliche Klischees beider Lebensweisen lustvoll auseinander.

Und das Allerbeste: Laut Auskunft der Festspiele gibt es sogar noch Karten! Für die beiden genannten Berliner Produktionen und den Stückemarkt sogar im normalen Verkauf und für alle übrigen Theatertreffen-Produktionen Restkarten an der Abendkasse.

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