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Kultur: Ein Glas Grauburgunder Mit Rainer Bielfeldt

Wenn man Ihre Lieder zu Texten der jüdischen Schriftstellerin Mascha Kaléko hört drängt sich eine Frage auf: Ist Franz Schubert Ihr großes Vorbild? Ich habe Klassik studiert und finde Schubert schon klasse.

Wenn man Ihre Lieder zu Texten der jüdischen Schriftstellerin Mascha Kaléko hört drängt sich eine Frage auf: Ist Franz Schubert Ihr großes Vorbild? Ich habe Klassik studiert und finde Schubert schon klasse. An ihm habe ich mich aber nicht orientiert. Vielleicht liegt die Ähnlichkeit an der Form: Die Gedichte der Kaléko sind nicht als reines Chanson zu vertonen, sondern in Richtung Kunstlied. Andererseits haben mich auch Pop und Chanson beeinflußt. Ein Vorbild ist zum Beispiel Kurt Weill. Gemessen an der Dramatik des Inhalts ist die Musik der Lieder aber sehr leicht und verhalten. Ja, schon. Ich finde die Texte haben - bei aller Wucht der Aussage - eine schlichte, klare Form. Das wollte ich auch musikalisch erreichen, unspektakulär im positiven Sinn. Ich habe nicht versucht, mit der Musik über die Gedichte hinauszugehen, irgendwelche Kunstwerke zu schaffen. Die Musik ist Dienerin des Textes? Ja, aber ich fühle mich nicht dadurch gebunden. Bei der Arbeit mit guten Interpreten wie Julia Kock bin ich wortfixiert geworden, schreibe nur noch ungern Instrumentalstücke. Das Ziel ist eine Symbiose: Die Musik soll eine freiwillige Dienerin sein, aber kein Sklave. Die CD ist jetzt zum Sommer herausgekommen, von der Stimmung paßt sie aber eigentlich mehr in den November. Die CD sollte kein Sommer-Hit werden. Aber es stimmt, die Lieder haben eine stark melancholische Komponente: Immerhin hat die Kaléko ihre Heimat verloren - und damit ihre Leserschaft. Die CD kann man besser an Novemberabenden hören, mit einem Kakao vor dem Kamin. Sie sind Sänger, Pianist und Komponist. . . Mir ist das Komponieren am wichtigsten. Finanziell bin ich aber momentan mehr Pianist und Sänger, Hauptarbeit sind die Auftritte mit Gayle Tufts. Da bin ich Pianist, Begleiter und Co-Sänger. Das macht mir auch Spaß, aber an erster Stelle steht, daß ich schreiben darf. Und allein auf der Bühne stehen? Ich fühle mich eigentlich nicht als Interpret. Das habe ich zwar auch schon gemacht, aber ich bin darauf angewiesen, daß die Leute mich hören wollen. Ich bin kein Entertainer und habe keine Show. Dann schon lieber Begleiter, wie zum Beispiel bei Gayle oder Tim Fischer: ein Team auf der Bühne. Verträgt Chanson überhaupt die Show? Reine Chansonabende, wie zum Beispiel das Kaléko-Programm mit Julia Kock, muß man ganz puristisch inszenieren. So wie die Piaf. Ja. Je kleiner und purer, desto mehr Bedeutung erhält dann auch jede Geste. Bei Chanson ist weniger oft mehr: Mut zur Sparsamkeit! Sie haben auch Musicals geschrieben und an größeren Produktion mitgewirkt. Kommt nach der Kleinkunst die Großkunst? "Kleinkunst" ist ein komischer Begriff, den man nicht zu wörtlich nehmen darf. Das hat weniger mit der Größe des Raumes zu tun als mit der Intimität dessen, was passiert. Das gefällt mir - dann muß ich "Großkunst" gar nicht haben. Es gibt Pläne, im Metropol die Operette des 21. Jahhunderts zu kreieren. Ist man da auch schon auf Sie zugekommen? Nein. Aber ich würde das gerne machen. Ich mag die Verbindung zwischen Musik und Theater. Chanson ist ja auch kleines Musiktheater, das eben nur fünf Minuten dauert und nicht drei Stunden.

Die CD "Masha", Songs nach Gedichten von Mascha Kaléko, Gesang: Julia Kock, ist bei Megaphon erschienen und kostet ca. 33 Mark. Mit Rainer Bielfeldt sprach Raoul Fischer.

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