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Kultur: Ein großer Klavierabend mit einer herausragenden japanischen Pianistin

Von dem Komponisten, dessen sämtliche Klaviersonaten und Klavierkonzerte die japanische Pianistin in Aufsehen erregenden Zyklen in Tokio wie in London zur Aufführung gebracht hat, spielte sie bei ihrem Klavierabend in der Berliner Philharmonie nur ein kleines Stück: das Adagio in h-Moll (KV 540) von Wolfgang Amadeus Mozart. Aber welch große Wirkung erzielte Mitsuko Uchida damit!

Von dem Komponisten, dessen sämtliche Klaviersonaten und Klavierkonzerte die japanische Pianistin in Aufsehen erregenden Zyklen in Tokio wie in London zur Aufführung gebracht hat, spielte sie bei ihrem Klavierabend in der Berliner Philharmonie nur ein kleines Stück: das Adagio in h-Moll (KV 540) von Wolfgang Amadeus Mozart. Aber welch große Wirkung erzielte Mitsuko Uchida damit! Da fesselte die dialektische Ausdrucksspannung ebenso wie der ganze klangliche Facettenreichtum.

Mitsuko Uchida spielte das Mozartsche Adagio mit solch feinen, pastellfarbenen Aufhellungen und hintergründigen Verschattungen, einer solch gleißenden deklamatorischen Schärfe und überraschenden Zartheit in den Zwischentönen, dass es gleichsam zum zentralen Punkt ihres Klavierabends avancierte. Sie fügte es übrigens nahtlos an die zuvor gespielte Alban-Berg-Sonate op. 1 an, spielte also Berg und Mozart wie auf einem Atemzug. In der Tat: selten sind die Traditionslinien zwischen erster und zweiter Wiener Schule so aufregend klar und überraschend schön dargelegt worden wie an diesem großen Klavierabend.

Da erreichte alles den Rang des Außergewöhnlichen. Sensitiv, konturenscharf und leidenschaftlich bis zum Äußersten spielte die Japanerin mit dem markanten Erscheinungsbild nicht zuletzt die Schubert-Sonaten in a-Moll op. 143 (D 784) und D-Dur op. op. 53 (D 850) - mit einem enorm ausgreifenden Klanggestus, einer bewundernswert reichen Ausdrucksfülle und technischen Perfektion obendrein. Nicht in einem Augenblick ließen dabei die prasselnde Prägnanz, die federnde Anschlagsintensität, die Formklarheit nach.

Überhaupt ist das seismographische Klanggespür dieser Musikerin ein Erlebnis für sich. Bei Franz Schuberts a-Moll-Sonate ist darüber hinaus wohl bislang kaum einmal mit solch virtuosem Wagemut, solch trotzigem Zugriff und vibrierendem Ernst die ganze innere Dramatik und Zerrissenheit dieses Stückes zutage gefördert worden. Auch bei Alban Bergs spätromantisch-expressionistischem Opus 1 und Anton Weberns spannungsvoll pointierten Variationen op. 27 setzt Mitsuko Uchida mit geistvoller Spiellust auf unerhört starke gestalterische Kontraste, aber auch auf Momente einer gesteigerten pianistischen Rasanz, die den Konzertbesucher treffen wie ein Blitzschlag.

Bei Schuberts D-Dur-Sonate zauberte sie wieder wie bei Mozart, glitzerten wonnevoll die Figuren und Farben. Im Rondo geriet man unversehens in den Bann eines verspielten Glücksgefühls sondergleichen. Und dabei ließ Mitsuko Uchida keinen Zweifel daran, dass sich bei Schubert wie bei Mahler hinter der Maske des Naiv-Heiteren stets das ambivalente Spiel von Traum und Wirklichkeit verbirgt. Riesiger Jubel.

Eckart Schwinger

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