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Kultur: Ein Grundstück, zwei Nutzer

Mit rund 1000 Neugründungen hat der deutsche Stiftungsboom im Jahr 2001 einen Rekordwert erreicht. Wie aus dem Verzeichnis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen hervorgeht, gehen gut fünf Prozent davon auf staatliche Initiative zurück.

Mit rund 1000 Neugründungen hat der deutsche Stiftungsboom im Jahr 2001 einen Rekordwert erreicht. Wie aus dem Verzeichnis des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen hervorgeht, gehen gut fünf Prozent davon auf staatliche Initiative zurück. Bund, Länder und Gemeinden rufen - von der Öffentlichkeit kaum beachtet - seit Jahren diskret Stiftungen ins Leben. Auf diese Weise trennen sie sich von einem Teil staatlicher Aufgabengebiete, ohne die Kontrolle darüber zu verlieren. Staatsstiftungen kümmern sich vor allem um Umweltschutz sowie die Bewahrung des kulturellen und architektonischen Erbes. Zu den bekanntesten und größten Einrichtungen dieser Art zählen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Kulturstiftung Wörlitz-Dessau.

Welche Ziele der Staat durch seine Stiftungen anstrebt, ist unschwer zu erraten. In Zeiten knapper werdender öffentlicher Mittel lässt sich auf diese Weise der Haushalt entlasten. Dazu bietet sich die Form der Stiftung, in Deutschland positiv bewertet, als Lösung geradezu an. Denn durch die Steuerreform geschaffene Vorteile können Private veranlassen, ihrer Heimatgemeinde als Wohltäter finanziell beizustehen.

Wie die 44 Bundesstiftungen zeigen, bringt eine Umwandlung durchaus Vorteile mit sich. Wird der Denkmalschutz aus dem Behördenapparat ausgegliedert und dezentral organisiert, lassen sich Beschlüsse schneller fassen, die Abläufe werden klarer. Wie effizient eine Stiftung staatliche Aufgaben bewältigen kann, hängt jedoch davon ab, wieviel Freiraum ihr zugebilligt wird. "Hält der Staat an seinem Machtanspruch, etwa bei der personellen Besetzung des Stiftungsrates fest, ist die neue Einrichtung als Strohmann-Gründung kaum mehr ein verlängerter Arm der Administration und kann auch ihre Vorteile gar nicht entfalten", gibt der Würzburger Stiftungsexperte Michael Kilian zu bedenken.

Dass Kommunen bei der Umwandlung ihrer Kulturbetriebe die staatliche Rolle unterschiedlich sehen, zeigen die Beispiele Hamburg, Köln, Düsseldorf, Berlin und Dresden. In Hamburg blieben Gebäude und Sammlungen im Besitz des Stadtstaates, der die Stiftungen nicht mit Kapital versah, sondern jährliche Zuwendungen aus dem öffentlichen Haushalt versprach. Sowohl Staat als auch Museen und Theater hatten einer Studie der Kölner Stiftungsforscherin Tanja Ahrendt zufolge von Anfang an "ein hohes Maß an Veränderungswillen" gezeigt.

Hamburgs Kulturbetriebe sollten mehr Selbstständigkeit erhalten, um wirtschaftlicher zu werden. Lediglich die Posten des Stiftungsratsvorsitzenden hat die Hansestadtverwaltung für sich beansprucht, "ansonsten wollten wir engagierte und interessierte Persönlichkeiten aus dem Umfeld, möglichst mit unternehmerischer Einstellung, gewinnen", bekräftigt der stellvertretende Kulturamtsleiter Hans Krämer.

Inzwischen überwiegen positive Einschätzungen; Mitarbeiter bekräftigten, dass sie sich stärker mit ihrer Kulturbetrieben identifizierten und mit höherer Motivation an die Arbeit gingen.

Dass die jährlichen Zuwendungen je nach Entwicklung der Haushaltslage auch einmal nach unten korrigiert werden können, betrachtet Krämer nicht als große Gefahr. Hamburgs staatliche Kulturbetriebe würden wohl auch dann kaum Not leiden, da sich der Stadtstaat seit jeher durch ein hohes Maß an Stiftungsfreundlichkeit und Mäzenatentum auszeichnet.

Diese Tradition prägt auch Köln, dessen sieben städtische Museen und zusätzlich die Kunsthalle der Trägerschaft von Stiftungen anvertraut werden sollen. Nachdem der Stadtrats-Ausschuss für Kunst und Kultur eine Stiftung bürgerlichen Rechts favorisiert hatte, bremst nun ausgerechnet der Regierungsbezirk als Aufsichtsbehörde. Das Betriebsvermögen der Kölner Museen sei so groß, dass man es nicht dem unmittelbaren Zugriff des Rates entziehen dürfe, lautete das Argument. Außerdem dürfe eine öffentliche Einrichtung dem Gesetz nach nur dann ausgegliedert werden, wenn ihr Zweck anders nicht erfüllt werden könne.

Museumsreferatsleiter Winfried Fischer sieht das nicht als den wahren Grund: Sollten Kölns Museen als Stiftungen mehr Selbstständigkeit erlangen, müsse die Behörde befürchten, dass sie eine Entwicklung, deren Resultat als Vorreitermodell in der öffentlichen Verwaltung gelten könne, nicht mehr zu steuern und kontrollieren in der Lage sei, vermutet Fischer. Und damit entwickelt sich ein Machtspiel um die Frage, wer die bessere Kulturpolitik und Kulturwirtschaft betreibt - der Staat oder privatwirtschaftliche Organisationen.

Deutschlands jüngstes Kulturstiftungsmodell hat sich die Landeshauptstadt Düsseldorf zugelegt. Es beruht auf einer bewusst paritätisch gehaltenen Beteiligung von Staat und Privatsektor, die eine Private-Public Partnership vereinbart hatten. Niemand sollte im Stiftungsrat eine Mehrheit erlangen, "keiner kann den anderen überstimmen", sagt Kulturdezernent Hans Heinrich Grosse-Brockhoff.

Letztlich geht auch die Düsseldorfer Schöpfung auf eine staatliche Notlage zurück. Düsseldorf besaß ein sanierungsbedürftiges Kunstmuseum und eine damit verbundene baufällige Ausstellungshalle namens "Kunstpalast". Die Veba, Vorläuferin der heutigen Eon, bot sich als Finanzpartner an, bestand jedoch als Gegenleistung darauf, dass ihr die Stadt einen Teil des städtischen Grundstücks, auf dem sich der Museumskomplex befindet, zum Kauf anbot.

Nachdem die Stadt diesem Deal zugestimmt hatte, sah sie sich zunächst dem Vorwurf ausgesetzt, sie verscherbele mit diesem Grundstücksverkauf Staatsvermögen. Inzwischen haben sich die Wogen der Empörung geglättet. Grosse-Brockhoff konnte viele Privatpersönlichkeiten, darunter Unternehmer, für sein Anliegen gewinnen. "Wir haben die Partner im Stiftungsrat aufgefordert, bewusst auf Macht zu verzichten und hierarchisches Denken aufzugeben", bekräftigt der Kulturdezernent, dessen Stiftung Museum Kunstpalast im vergangenen September den Betrieb aufnahm. Während Gebäude und Kollektionen bei der Stadt verblieben, behielt die Kulturstiftung nach Abzug der Baukosten ein ordentliches Stiftungskapital, das Staat und Wirtschaft gemeinsam zusammengetragen hatten.

Sämtliche Zusagen waren vertraglich festgehalten worden. Damit besaß die neue Stiftung, die private und öffentliche Mittel in treuhänderischer Form verwaltet, die nötige "Planungssicherheit". Düsseldorfs Weg verdeutlicht, dass sich Kulturbetriebe dann zu funktionstüchtigen Stiftungen umwandeln lassen, wenn die beteiligten Partner gleichberechtigt sind.

Als in Berlin das Deutsche Technikmuseum aus der direkten Zuständigkeit des Staates ausgegliedert wurde, hat man, Tanja Ahrendts Einschätzung zufolge, diese Vorarbeit nicht geleistet. In der Hauptstadt habe der Trägerschaftswechsel für den Senat fast keine Kosten aufgeworfen, auf positive Veränderungen für die Museen hingegen warte man bis heute vergeblich.

In Dresden lässt sich anhand des Deutschen Hygiene-Museums nachvollziehen, wie ein staatliches Stiftungsprojekt scheitern kann. Dort hatte der Staat 1999 ebenfalls aus einer finanziellen Notlage heraus eine Trägerstiftung gegründet. Zuvor war das Museumsgebäude renoviert worden, es gehört nun der neuen Einrichtung, die mit jährlichen Zuwendungen aus dem Haushalt finanziert werden soll. Behördenvertreter dominieren den Stiftungsrat, dessen Entschlussfähigkeit unter politischen Debatten und bürokratischer Umständlichkeit leidet. Hatten die Gründer zunächst gehofft, dass sich auch Privatpersonen, besonders Unternehmer, für das Museum in ihrer Stadt finanziell engagieren würden, macht sich jetzt Ernüchterung breit: Die Geschäftswelt, sieht man von einer Krankenversicherung ab, hält sich auf Distanz.

Letztlich hat die Dresdner Stiftung Schiffbruch erlitten, weil der Staat hierzulande generell noch nicht bereit ist, von ihm gegründete Stiftungen in die Selbstständigkeit zu entlassen. Privatpersonen, die lediglich als spendable Geldgeber benötigt werden und nicht mitentscheiden dürfen, lassen sich dafür schwerlich gewinnen.

Solange der Staat Budgethoheit beansprucht, will er auch in der Stiftung die Vorrangstellung behalten. Wenn er seine Einrichtung mit öffentlichem Vermögen ausstattet, wird der Staat in seiner politischen Verantwortung weiterhin auf der Kontrolle dieser Mittel bestehen.

Thomas Veser

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