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Kultur: Ein Herz für Männer

Uns Frauen wird oft Übles nachgesagt. Insbesondere, heißt es, sind wir zu der männlichen Fairness, wie man sie auf Fußballplätzen findet, nicht wirklich fähig.

Uns Frauen wird oft Übles nachgesagt. Insbesondere, heißt es, sind wir zu der männlichen Fairness, wie man sie auf Fußballplätzen findet, nicht wirklich fähig. Wir sehen also mit Vorliebe nur eine Seite der Dinge. Gerade am alljährlichen Internationalen Tag der Frau, dem 8. März, wollen wir einmal zeigen, dass wir durchaus die andere Seite sehen können. Die ganz andere Seite. Wenden wir uns jenen zu, die das Leben aus anderer Perspektive betrachten als wir. Ich spreche von einer Minderheit - und gerade Minderheiten brauchen weibliche Aufmerksamkeit und soziale Anerkennung. Heute soll es um Leute gehen, deren Daseinsziel die reine Repräsentation der Männer ist, immer und überall. Es geht um die Taliban-Quote: zero women. 100 Prozent Männer - die perfekte, die harmonisch vollendete Taliban-Quote. Dieses Konzept könnte als ästhetischer Purismus abgetan werden, es könnte allerlei Vorurteilen begegnen. Aber betrachten wir die Welt einmal aus der Sicht solcher Menschen.

Noch bis vor wenigen Jahrzehnten etwa hätten sie sich bei uns wohlfühlen können. Es herrschte hierzulande, ganz unbeabsichtigt, eine recht reine Taliban-Quote. Zero women, nun, das galt auf Gipfeltreffen und auf dem Golfplatz, beim Heer wie in der Lehre. Von unbewusstem Gespür für das Pure geleitet, formierten die hiesigen Herren, wo immer sie auftraten, serielle Krawattengruppen, nahezu perfekte Bilder einer unbefleckten Idee.

Kaum vorstellbar, wie schmerzhaft es für Anhänger der Taliban-Quote sein muss, in aller Welt das Aufweichen ihres einst universellen Konzepts ansehen zu müssen. Mit der für Minderheiten geforderten, adäquaten Feinfühligkeit führe man sich nur einmal vor Augen, wie erschütternd es auf diese Minderheit wirken muss, dass heute, etwa im Bereich der Führungskräfte in Deutschland, die Taliban-Quote auf 96,3 Prozent geschrumpft ist! Ein beschädigtes Bild. Schlimmer noch ist es im Hochschulsektor. Dort sank die Taliban-Quote bei den C4-Professuren auf bittere 94 Prozent. Unter Piloten, Chirurgen, Chefredakteuren, Förstern und sogar Bauarbeitern, wo die Taliban-Quote traditionell voll erfüllt wurde, zeigen sich mit 97 bis 98 Prozent erste Zeichen der Erosion. In einer jüngst von der "FAZ" veröffentlichen Liste der "Hundert einflussreichsten Intellektuellen der Republik" lag die Taliban-Quote gar bei nur 90 Prozent! Als Trost bleibt den Verfechtern der Reinheit die volle Quote bloß noch in Randbereichen der Gesellschaft - im Vatikan oder bei der Mafia.

Vollends traumatisch allerdings muss die niedrige Quote in Bereichen wie Reinigungstätigkeit, Sekretariatsjobs, Grundschullehre, Krankenpflege und Flugbegleitung auf die Anhänger der Taliban-Quote wirken. Hier liegt die Quote mitunter nur bei ein bis zwei Prozent - ein fast schon tragisches Ergebnis.

Bleibt die Frage, was wir Frauen unternehmen könnten, um dieser bedrängten Minderheit politisch sensibel zu begegnen? Weibliche Kreativität und Umsicht sind gefordert. Wir müssen mehr Bewusstsein schaffen für das kaum erkannte Problem. Nachbarinnen, Kolleginnen! Sprechen wir, am Tag der Frau, endlich über eine Minderheit, deren Los allzu leicht verdrängt und vergessen wird.

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