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Kultur: Ein Hit ohne Titel

Lutz Hübners Melodram „Nellie Goodbye“ im Berliner Grips-Theater

Sie spielen weiter, und der Tod spielt mit. Fünf junge Musiker in ihrem Proberaum, auf dem Sprung in die Karriere. Nellie, die Leadsängerin, bricht zusammen, muss ins Krankenhaus. Gehirntumor, unheilbar.

Lutz Hübners Stück – im Grips für Menschen ab fünfzehn – erzählt die bitterharte Geschichte mit bewundernswert leichter Hand. Franziska Steiof hat „Nellie Goodbye“ genauso in Szene gesetzt: gradlinig, melodramatisch. Mit warmem Humor. Sie greifen nach den Instrumenten, wenn sie nicht weiterkönnen, wenn die Rede versagt, der Galgenhumor ins Leere geht.

Fünf Schauspieler, fünf Rockmusiker zugleich. „Ich wollte dir vertraun/Du warst ein Stück von mir/So einfach abzuhaun/War nicht okay von dir.“ Das ist die „Ballade ohne Titel“, das Titelstück (Text: Volker Ludwig, Musik: George Kranz). Man ahnt, dass das Quartett, das übrig bleibt, Nellie diesen Song widmen wird. Nellie Goodbye. So grausam, so zart.

Erst einmal die typischen gruppendynamischen Geschichten. Gitarristin Tina (Constanze Priester) macht die ganze Organisationsarbeit und den Einkauf, Bassist und Songschreiber Johnny (Jens Mondalski) hat Starallüren und stellt sich, wenn es Ernst wird, wie ein Vollidiot an. Cora, die Keyboarderin, verspielt sich ständig. Schlagzeuger Danny (Christian Giese) überspielt seine Einsamkeit und Verletzlichkeit mit notorischer Witzelei und Trommelwirbeln. Und Nellie (Laura Leyh) kommt immer zu spät in den Bandkeller, den Mathias Fischer-Dieskau mit wenigen Bauteilen in die kleine Grips–Arena zaubert; Heizungsrohr, Kühlschrank, Pizzaschachteln, Treppenaufgang. Instrumente, Verstärker.

„Nellie Goodbye“, eine Backstage-Tragödie. Wie sie kämpfen um ihre Musik, um den Zusammenhalt der Band, um Freundschaft und Beziehung, um Nellies Leben: Es geht an die Nieren. Es ist nie triefig. Johnny, der eigentlich mit Nellie zusammen ist, schläft mit Cora, Nellies bester Freundin. Tina übernimmt Nellies Part als Sängerin. Noch einmal kommt Nellie wieder, nach ihrer Gehirnoperation. Aber sie packt es nicht mehr, die Stimme, die Texte sind weg. Laura Leyhs Darstellung der Todkranken und Christian Gieses verzweifelt komische Ablenkungsversuche, das sind die stärksten schauspielerischen Momente eines anrührend starken Ensembles. Eine Grips-Inszenierung ohne Moral: Leben heißt Verraten, und im Verrat steckt Zuneigung, ja Liebe.

Wieder vom 18. bis 20. November.

Rüdiger Schaper

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