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Kultur: Ein Irrer unter Irren

Action statt Horror, Splatter statt Thriller: : Stefan Ruzowitzkys „Anatomie 2“

Erinnern Sie sich noch, vor drei Jahren? „Anatomie 1“ – so muss man den Urfilm nun wohl nennen – war richtig gruselig. Wir wussten so wenig wie die herzensgute Medizinstudentin Paula (Franka Potente), die sich aufgemacht hatte in das altehrwürdige Heidelberg, was da auf uns zukommen würde: der Geheimbund der Anti-Hippokraten war es, der, angeführt von dem fürchterlichen Professor Grombek (Traugott Buhre), grausige Experimente am gesunden Menschen veranstaltete, ahnungslose Opfer natürlich eingeschlossen …

Nun also „Anatomie 2“. Wieder hat Stefan Ruzowitzky Regie geführt, ein wenig heftiger wohl diesmal bedrängt von seinen amerikanischen Geldgebern, die ihn das Teenie-Horror-Genre jetzt erst recht lehren wollten – und irgendwie ist alles anders. Nicht nur, dass der Ort des Grauens nicht mehr Heidelberg, sondern Berlin heißt, was finstere Begebenheiten – Schicksal der Großstadt – schon mal weniger unwahrscheinlich erscheinen lässt. Sondern: Der ganze Film ist zwar sehr, sehr blutig, aber nicht mehr wirklich gruselig. Aus Horror ist Splatter, aus Thriller bloße Action geworden.

Dabei fängt er – mit einem atemberaubenden Solo August Diehls – vielversprechend an. Diehl ist Benny, Benny mit den irren Augen und dem hellen Sommeranzug und dem dünnen weißen Herrenhemd, unter dem allerlei irre Muskeln zu pochen scheinen, nur kein Herz. Mit diesem Wahnsinnsblick platzt Benny in eine Versammlung hinein, die eigentlich dem berühmten Medizinprofessor Müller-Larousse (Herbert Knaup) und seinen neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen geweiht ist – und wie er diese Vortragssoirée sprengt ohne ein Wort, das ist schon sehenswert. Schade nur, dass Benny, der medizinische Fortschritt wollte es so, dem Zuschauer für den Fortgang des Filmes nicht erhalten bleibt.

Den bestreitet in erster Linie Barnaby Metschurat. Er hat das schwere Erbe Franka Potentes aus „Anatomie 1“ angetreten: als unser Kronzeuge auf der Reise ins Äußerste der Absonderlichkeit. Doch sein Medizinstudent Jo Hauser, der den eigenen Lerneifer eines Tages ganz der Heilung seines gelähmten Bruders widmen will, wird alsbald selbst von der Antihippokraten-Loge aufgesogen. Ein Irrer unter Irren, die an Irren herumexperimentieren – und diese Irren sind sie selbst. „Da will ich nicht stören“, würde Kurt Tucholsky sagen.

Und das ist auch die Crux dieses Films. Um niemanden müssen wir zittern (nur Frank Giering verdient kurzzeitig unser Mitleid), nichts geschieht hinterrücks. Manches, etwa die einigermaßen gallertartigen künstlichen High-Tech-Muskeln, die sich die Wahnwitzigen unter Dr. Müller-Larousse fortwährend applizieren, ist durchaus überzeugend anzuschauen. Nur: Sollen sie doch. Den Humbug der freiwilligen Teilnahme am finsteren Forschungsexperiment haben sie schließlich selber unterschrieben.

So gesehen, ist „Anatomie 2“, der durchaus nicht nur da anfangen will, wo sein Vorgänger aufhörte, sondern sich um eine richtig neue Geschichte – und mit richtig guten deutschen Schauspielern – bemüht, denn doch nur ein typisches Beispiel für alle Sequels: Von nun an ging’s bergab.

In 23 Berliner Kinos

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