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Kultur: Ein Licht, das verdunkelt

„Schlaf“: Thomas Zipp bei Guido W. Baudach

Was vermag das wache Bewusstsein schon zu formulieren über die Grausamkeiten des Schlafes. Thomas Zipps neue Werkreihe zeigt diffuse, düstere Landschaften des Unterbewussten unter Himmeln, die so schwer, groß und bedrohlich sind, dass unter ihnen kein fester Boden mehr denkbar ist. Es ist ein stiller Wahnsinn, mit dem sich der 1966 geborene Maler und Installationskünstler in seiner Serie „Schlaf“ beschäftigt hat. In der Galerie Guido W. Baudach zeigt er nun drei von insgesamt sechs großformatigen Werken (2000 bis 38 000 Euro).

Aus den Flächen und grafischen Formen ergibt sich immer wieder ein horizontal organisierter Erdboden und darüber ein unaussprechlicher Einbruch von Bedrohung, mal in Form eines monströsen Hinterns, mal als unbestimmte Masse im freien Fall. Und doch gibt es in diesen Bildern eine eigentümliche Leichtigkeit, wenn man einmal akzeptiert hat, dass alles aus dem Ruder gelaufen ist. Dem könnte höchstens gleißendes Licht etwas entgegensetzen. Zu jedem Schlaf-Bild gehört ein Deckenleuchter mit elf konisch angeordneten Neonröhren, aufgeteilt in vier Kreissegmente – ein mathematisches Ding der Unmöglichkeit. Aber Zipp bietet eben gerade keine Gewissheit oder gar Rettung, das Ringen um Klarheit in nicht zu bewältigenden Systemen ist längst zum Scheitern verdammt. Oder verhält es sich umgekehrt, und Zipp bearbeitet vielmehr den verzweifelten Übersetzungsversuch des Wahnsinns in die Normalität? In seinen Zeichnungen nimmt der Kampf Gestalt an: Die Blätter sind zerrissen und wieder zusammengeklebt worden, die in einer Art Schreibmaschinen-Automatismus verfassten Codes sind nicht zu knacken. Bisweilen stürzen die Buchstaben ins Bodenlose und zeugen braun-rote Streifen pathetisch von einem blutigem Kampf. Doch dem Schweren hat der Künstler immer noch seinen ebenso fein codierten Humor entgegenzusetzen, der das Armageddon zunächst noch in Schach zu halten vermag.

Thomas Zipp hat sein Thema gefunden. Er variiert es in den unterschiedlichsten Formaten und Ebenen, und in seinen drei Porträts bekommt es ein Gesicht. „R.S.Q. 2097-2111“ ist ein freundlich und beängstigend zugleich dreinblickender obskurer Politiker oder Geheimbündler aus den nächsten Generationen. Die Reihe zeigt Funktionäre eines künftigen, Unheil verheißenden Regimes, und in ihren Augen, die aus Polsternägeln bestehen, glänzt schon heute der Wahnsinn: Es spiegelt sich darin ein Kraftfeld aus drei dunklen Schlafbildern und den dazugehörigen Lichtsäulen, die nichts erhellen.

Galerie Guido W. Baudach, Oudenarder Straße 16–20, bis 25. März; Dienstag bis Sonnabend 12 – 18 Uhr.

Silke Hohmann

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