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Die Sängerin Stefanie Kloß der Band Silbermond kommt aus Bautzen.

© dpa

Ein liebes Lied über den Osten: Keine Spur von Bescheidenheit

Die Popband "Silbermond" aus Bautzen hat ein braves, etwas muttihaftes Lied über ihre Herkunft gemacht: „Mein Osten“. Daraus spricht vor allem eins: Stolz.

Von David Ensikat

Tief im Westen / Wo die Sonne verstaubt / Ist es besser / Viel besser, als man glaubt.

So war es vor 35 Jahren, als Herbert Grönemeyer seine Heimatstadt Bochum besang. So ist es heute natürlich immer noch, so lange man nur Realist bleibt und davon ausgeht, dass es nirgendwo gut ist, und logisch folgert: Besser geht immer.

Also dichten wir neu: Um den Osten / wo die Sonne aufgeht / Steht es schlimmer / Viel schlimmer, als es um den Westen steht.

Empirisch und reimfrei lässt sich das so ausdrücken. Bochum im Westen guckste dir an und denkst: So schlimm, wie’s aussieht, wird’s schon nicht sein. Grönemeyer eben. Der Blick auf Bautzen, im allertiefsten Osten, die Stadt, wo sie die Ausländer gejagt haben, legt dagegen den Gedanken nah: Gott, ist das schön hier – wenn nur die Leute nicht wären (frei nach Georg Kreisler, der eine viel östlichere Stadt besungen hat: Wie schön wäre Wien ohne Wiener).

Aus Bautzen stammt die Popband „Silbermond“, die auch deshalb so erfolgreich ist, weil man ihr bislang wenig Ostdeutsches oder gar Bautznerisches angemerkt hat. Freundlicher Pop, gegen den selbst Grönemeyer sarkastisch und doppelbödig wirkt. Sie haben jetzt ein Lied über ihre Herkunft gemacht, „Mein Osten“, und das wird allgemein sehr gut gefunden, weil sie darin eine sehr gute Einstellung zeigen: Denn ich weiß, mit Mittelfingern / lösen wir dieses Problem hier nicht.

Die Musiker haben gerade eine Babypause gemacht, das erklärt vielleicht das  Muttihafte ein wenig: Ich kenn doch dein' freundlichen Blick / Mein Osten, mein Osten / Ruppig, herzlich, wie du bist / Mein Osten, mein Osten / Wir kriegen irgendwas hin / Dass deine Ängste nicht gewinnen / Mein Osten.

Durch Silbermond wird kein Nazi zum Flüchtlingshelfer

Man kann dagegen viel einwenden, vor allem Ästhetisches, aber das kann man bei Grönemeyer auch und schon immer. Es ist halt Pop, und Pop darf simpel und brav sein wie missverständlich und laut (vgl. Rammstein, ebenso aus dem Osten, wenn auch dem Großvateralter bedeutend näher).

Er dient dazu, gute Gefühle zu bereiten, auch wenn er mal von schlechten handelt. Kein Silbermondsong macht aus einem Nazi einen Flüchtlingshelfer, kein Rammsteinlied aus einem Sanften einen Schläger.

Was also soll man sagen? Dass mit „Bochum“ sich ein Westler um sein Westlersein geschert hätte, war eine Ausnahme, lange her und so auch eigentlich gar nicht gemeint. Uns Ostlern dagegen ist unsere Herkunft qua Himmelsrichtung bewusst, und die meisten sind gern bereit, was dazu zu sagen. Das hat selbstverständlich und vor allem was mit dem Dreck zu tun, der im Mauerland geschehen ist, auch als es keins mehr war.

Der war eben auffälliger als der im Westen. Der schmiedet zusammen und macht auf eine skurrile Art stolz: Ihr habt die Kohle, wir die Geschichte. Hier also irren die lieben Silbermonde: Meine Wurzeln, mein Revier / Mein Osten, mein Osten / Hab Bescheidenheit von dir. Keine Spur von Bescheidenheit. Kann man gut oder blöd finden, ist aber so.

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