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Kultur: Ein Nacht für Charme-Duscher

Die BÄRENPARTY ist die erste große Fete der Berlinale Stimmung herrscht dort fast wie in einer normalen Kneipe

Was passiert eigentlich nach dem großen Auftritt, wenn der Vorhang gefallen ist und alle ihre roten Tulpensträuße in Empfang genommen haben? Verlassen wir mal einen Moment den äußeren Zirkel, den alle sehen können, den Rand des roten Teppichs, auf dem sich selbst große Diven wie Sigourney Weaver im schulterfreien Abendkleid unter dem eiskalten Februarnachthimmel den Kameras präsentieren. Von der rückenfreien und hüfthoch geschlitzten zwar sexy, aber für die Witterung definitiv zu dünn angezogenen Emily Hampshire wollen wir erst gar nicht reden. In welcher Atmosphäre fühlen sich Stars richtig wohl? Die Bärenparty findet traditionell nach dem Eröffnungsfilm auf allen Ebenen des ganzen Musicaltheaters statt.

Im Adagio, dem nach der Art einer mittelalterlichen Fantasy-Filmkulisse eingerichteten Club im Untergeschoss, ist auf der Galerie ein VIP-Bereich eingerichtet, in dem sich die Jury und sonstige Prominente treffen. Das ist aber nur der äußere Ring. Von dort aus geht es durch eine unscheinbare Tür in eine Bar mit angeschlossenem Raum, die ziemlich exakt einem britischen Pub ähnelt. Kerzen brennen, auf den Tischen liegen schlichte orangerote Tischtücher mit Biergläsern drauf. Es ist auf die gleiche unspektakuläre Art gemütlich wie in einer Berliner Eckkneipe. Hierher hat sich die Crew des Eröffnungsfilms „Snow Cake“ zurückgezogen und feiert miteinander so eine Art Klassentreffen. Emily Hampshire sitzt immer noch ohne Stola mit einem Kollegen zusammen, Alan Rickman , der in Wirklichkeit viel kleiner wirkt als im Film, aber dafür einen größeren Mund zu haben scheint, steht mit der Darstellerin seiner Film-Affäre, Carrie-Anne Moss , an der Bar. Und die Hauptdarstellerin Sigourney Weaver schreitet auf unglaublich hohen und dünnen Bleistiftabsätzen, die von der langen, bauschig blauen Robe fast verdeckt werden, zu einem der runden Tische. Zu essen gibts hier passend zum Ambiente Edelrustikales wie Schinken und Flügel vom Hohenloher Bauerngockel und Kartoffelsalat mit Lauch.

Draußen schwärmt Klaus Wowereit später, wie er während des Films, den er „einfach super“ fand, das Mienenspiel Sigourney Weavers verfolgt hat. Allzu viele Filme wird er nicht sehen können, andere Termine jagen sich. Am Sonntag lädt er die Berlinale-Juroren zum Essen ins Rathaus ein. Zwar steht er nicht selber am Herd, gibt aber zu, dass er gern mal für Jury-Chefin Charlotte Rampling kochen würde.

Die nimmt allerdings leider gerade eine Charme-Dusche bei Dieter Kosslick , der lange braucht, um sich zu dem eigentlich für ihn reservierten Tisch vorzuarbeiten, und manchmal den Eindruck erweckt, als sei das Rezept dafür, bei Stars großen Erfolg zu haben, ganz einfach. Man muss nur, so großzügig es irgend geht, Wärme ausstrahlen, zeigen, dass man Menschen wirklich mag.

US-Botschafter William Timken zeigt sich „very impressed“ von der ganzen Opening-Zeremonie, und er ist nicht leicht zu beeindrucken. Er erinnert sich daran, wie er mit Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger zu Gast in der Air Force One seines Präsidenten war. Seine Frau Sue und Tochter Fran haben die Untertitel des Films genutzt, um Deutsch zu lernen. Der Schauspieler Winfried Glatzeder , bewegt von „einer Realität, die voll schrecklicher Geschichten steckt“, findet den Beitrag eher „kunstgewerblich“. Einer der Produzenten, der selbst einen siebenjährigen autistischen Sohn hat, erzählt hingegen, dass er den Film an diesem Abend schon zum zehnten Mal gesehen hat und an drei Stellen immer noch weinen musste.

Berlinale-Weblog der Autorin unter

http://blog.tagesspiegel.de/humantouch

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