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Kultur: Ein Netz ohne Haken und Ösen

Um zu wissen, wie der deutsche Klassikmarkt in ein paar Jahren aussehen wird, muss man nur nach England und in die USA schauen. Denn während die hiesigen Kunden noch treu an der CD hängen, laden sich Briten und Amerikaner ihre Beethoven-Sinfonien schon millionenfach aus dem Netz herunter.

Um zu wissen, wie der deutsche Klassikmarkt in ein paar Jahren aussehen wird, muss man nur nach England und in die USA schauen. Denn während die hiesigen Kunden noch treu an der CD hängen, laden sich Briten und Amerikaner ihre Beethoven-Sinfonien schon millionenfach aus dem Netz herunter. Da ist mithin absehbar, dass sich dieser Trend auch in old germany durchsetzen wird. Der Moment ist nämlich schon längst gekommen, an dem der Kunde gar nicht mehr die Wahl hat, sondern begehrte Aufnahmen nur noch aus dem Netz zu beziehen sind. Vor allem die Neue Musik profitiert von der Erweiterung des medialen Spielraums, und die Existenz des Berliner Laptop Orchesters ist immerhin ein Indiz dafür, dass in Deutschland durchaus Innovationsgeist vorhanden ist. Die Solisten nutzen ihre Notebooks nicht nur zur bloßen Klangerzeugung, sondern, ganz im Sinne Richard Wagners, zur Kreation eines audiovisuellen Gesamtkunstwerks. Am Donnerstag und Freitag stellen die sieben Musiker im historischen Anatomie-Hörsaal im Langhansbau das eigens für sie geschriebene Opus des Berliner Medienkünstlers Detlef Günther vor: „The dignity of Man“ beruht auf einem vierteiligen „Videogemälde“, das als Meditation über die europäische Zivilisationsgeschichte verstanden werden will. Vielleicht ist der Abend ja auch eine Entscheidungshilfe für Eltern, die nicht wissen, ob ihre Kinder Klavier oder Geige lernen sollen – oder lieber gleich Laptop.

Jörg Königsdorf

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