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Kultur: Ein Peso für 13 Menschen

„Brandzeichen“ dokumentiert die Unruhen in Argentinien

In den Neunzigerjahren setzte Argentinien die von der Weltbank verordneten Reformen um. Die Regierung öffnete den Markt für ausländisches Kapital und privatisierte alles, von der Eisenbahn bis zur Wasserversorgung. Dann kam der Crash 2001/02: Die Staatsschulden des Landes stiegen auf die Rekordhöhe von 150 Milliarden Dollar, die Währung stürzte ab, und das Vermögen von Millionen von Menschen war vernichtet.

Es folgten Massenproteste und Plünderungen, die Banken mussten ihre Filialen hinter Stahlplatten verschanzen. Vor diesem Hintergrund spielt die Dokumentation „Brandzeichen – Momente einer Rebellion“ von Susanne Dzeik und Kirsten Wagenschein. Das Interesse der beiden Frauen vom Videokollektiv AK-Kraak im Prenzlauer Berg gilt dabei weniger der Krise selbst als vielmehr der facettenreichen Protestbewegung.

Auf den ersten Blick ist „Brandzeichen“ ein Werk von Dilettanten, mit wackeliger Digi-Cam, schlechtem Ton, bemühter Erzählhaltung. Wer aber über diese formalen Mängel hinwegsieht, erlebt in 80 Filmminuten Argentinien im Aufruhr.

Dzeik und Wagenschein besuchen Nachbarschaftsversammlungen in Buenos Aires. Sie nehmen an Demonstrationen auf der Plaza de Mayo teil und erfahren, wie die Lage eskaliert, als die Polizei 32 Demonstranten erschießt. Der Protest der urbanen Mittelschicht bleibt bürgerlich: Deren gängigste Aktionsform ist Kochtopfschlagen und das Demolieren von Bankautomaten. Anders die radikale Arbeitslosenbewegung an der Peripherie von Buenos Aires. Die Filmemacherinnen begleiten die so genannten Piqueteros zur Blockade einer Erdölraffinerie und zum öffentlichen Tribunal über einen Mörder in den Reihen der Polizei, man kommt sich näher. Beeindruckend, wie die Armen ihre Armut nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung organisieren. Eine Arbeiterin sagt mit rührender Logik: „Wir Frauen sind fähiger als unserer Wirtschaftsminister. Denn wir können mit einem Peso 13 Menschen ernähren.“ (Lichtblick-Kino)

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