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Kultur: Ein Tango für die Tante

KONZERT

Würden diesen verschmitzt lächelnden, grauhaarigen Herren bei jedem Flunkern die Nasen schwellen, so hätten ihre Riechorgane längst die Ausmaße von Alphörnern angenommen. Doch Gianluigi Trovesi und Gianni Coscia sind aus anderem Holz geschnitzt als Pinocchio. Jahrzehntelang wanderten sie mit Akkordeon und Klarinette durch Italien, haben die Musik der Rummelplätze, die Jazzbegeisterung der Vierzigerjahre, die Tänze der ländlichen Regionen in sich aufgesogen. Zwischenzeitlich zog sich Coscia in eine Anwaltskanzlei zurück, während sich Trovesi, seine Klarinette schrill überblasend, an die Spitze der italienischen Jazzavantgarde spielte. Beides war den Schelmen aus der Nähe von Mailand auf die Dauer zu freudlos. Und so begaben sie sich „In cerca di cibo“ , auf die Suche nach Nahrung. Die Fundstücke, die Trovesi und Coscia bei ihrem Konzert in der Berliner Passionskirche präsentieren, erinnern an ein mediterranes Menü, bei dem einfache Zutaten als Kostbarkeit behandelt und aufwändige Zubereitungsmethoden mit lässiger Könnerschaft angegangen werden. Canzoni verschmelzen mit Mazurken, Pinocchio hängt verträumt an den Fäden des Jazz, „Il Postino“ radelt vorbei und sehnt sich nach dem Tango, der „vertikalen Befriedigung eines horizontalen Begehrens“, wie die Herren erklären. Von dem Dichterwort, der Tango sei ein getanzter trauriger Gedanke, hält das Duo nichts. Wo bliebe da ihr raffiniert in zauberhafte Klänge eingewobener Witz? „Meine Musik soll auch meiner Tante gefallen“, bekennt Trovesi. Die alte Dame muss einen umwerfenden Humor haben.

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