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Kultur: Ein Tier in allen Tönen

Patricia Kopatchinskaja debütiert mit dem DSO

Sie schnurrt, faucht, krallt sich fest, ein schönes Biest, ein wildes Katzentier mit Geige. Ihr Name: Patricia Kopatchinskaja, Jahrgang 1977, moldawische Musikertochter, Wohnsitz in Wien. Zum ersten Mal steht sie in der Philharmonie, debütiert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester unter Sir Roger Norrington, barfuß, mit kindlichen Pausbacken. Nett sieht sie aus, aber das täuscht. Kopatchinskajas Spiel, Bartoks zweites Violinkonzert, und als Zugabe „Crin“, ein Wildkatzen-Solostück von Jorge Sanchez-Chiong – ihr Spiel ist souverän und animalisch, zärtlich und frech. Eine Urinstinkt-Musikerin, die Witterung aufnimmt, auf der Lauer liegt, immer auf dem Sprung. Und die sich bei aller ungestümen Energie auch in die Trance hineinwagt, den süßen, innigen Augenblick. Bartoks Changieren zwischen Zwölftonmusik und Neoklassizismus: Beutezug einer Ausdruckshungrigen. Roger Norrington setzt auf innere Spannung, umgibt die Solistin mit einem nervös-agilen, niemals dampfenden Bartok, und mitten im Dschungel ist die Löwin los, sie streift durch die Nacht, mit leuchtenden Augen und zuckenden Muskeln. Diese Geigerin ist ein kleines Ereignis – und kommt hoffentlich öfter nach Berlin.

Nach der Pause Brahms’ Erste Sinfonie. Erneut verzichtet Norrington auf jegliches Vibrato, platziert die Kontrabässe hinter den Holzbläsern und verbreitert Brahms’ entwickelnde Variation zum ausladenden, den Ohren schmeichelnden, aber nicht bräsigen Klangstrom. Erdiger, geerdeter Sound. Und die Musiker des Deutschen Symphonie-Orchesters versehen die fein gearbeitete Binnenzeichnung mit kräftigen Außenkonturen. Pochendes Herz, dickes Fell: Es schläft ein Tier in allen Tönen.

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