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Kultur: Ein Verzicht auf Zeit

Interview mit Volker Neumann, Chef der Frankfurter Buchmesse

Auf der Buchmesse sind 250 Aussteller weniger als im vergangenen Jahr vertreten. Was ist los mit der Branche?

Die Schwierigkeiten, die das Verlagswesen im Moment hat, sind nicht zu leugnen. Ganz klar ist eine deutliche Konsumentenzurückhaltung: Nach einer Stagnation im Jahr 2001 haben wir nun mit einem Rückgang von 3 bis 4 Prozent zu kämpfen. Das ist für eine Branche mit einer so schmalen Kapitaldecke, die überwiegend aus kleinen Firmen besteht, eine recht schwierige Situation.

Findet hier die Gesundschrumpfung eines aufgeblähten Marktes statt?

So würde ich es nicht nennen. Wenn man mit Unterkapitalisierung arbeitet und sehr geringen Gewinnmargen, dann ist man darauf angewiesen, dass es ständig einen Gewinnzuwachs gibt. Jetzt plötzlich gibt es Nullwachstum und sogar Rückgang. Den Gesundschrumpfungsprozess sehe ich eher beim Titelaustoß. Wir haben auch in diesem Jahr an die 900 000 Neuerscheinungen, das ist wirtschaftlich schwer zu verkraften.

Wird denn weniger gelesen?

Ich bin nicht sicher, dass die Menschen weniger lesen. Man kann aber sicher sein, dass sie weniger kaufen. Die meisten haben Bücher zu Hause, die sie schon immer lesen wollten. In diesem Moment, wo beim Einkaufen insgesamt Zurückhaltung geübt wird, besinnt man sich auch auf solche Bücher. Zur Zeit wird vor allem aufgearbeitet. Aus meiner Sicht ist das ein temporärer Konsumverzicht.

Treiben aber nicht auch hohe Standmieten und Hotelkosten die Aussteller davon?

Die jetzige Situation ist wirtschaftlich für uns nicht unproblematisch: Weniger Aussteller auf einer geringeren Ausstellungsfläche – denn die großen Verlagsgruppen präsentieren sich deutlich kleiner. Dazu kommen Mehrforderungen des Vermieters, der Frankfurter Messe. Dennoch hat die Buchmesse die Standmieten in diesem Jahr nicht erhöht, die kleinen Stände werden von uns „sozial verträglich“ abgegeben, also unter den Deckungskosten. All das wird sicher dazu führen, dass wir uns im nächsten Jahr nicht wieder eine Nullrunde leisten können. Zur Hotelsituation: Das ist ein Riesenproblem. Die Preise führen einfach dazu, dass ein größerer Kreis von Ausstellern sich die Messe gar nicht mehr leisten kann oder aber mit ihren Mitarbeitern in die weitere Umgebung ausweicht.

Auf diese Messe konnten Sie ja keinen Einfluss mehr nehmen. Was sind Ihre Pläne?

Wenn wir diesen Spagat zwischen Arbeits- und Publikumsmesse halten wollen, dann müssen wir den Publikumsteil mit zusätzlichen Events verstärken. Es finden heute schon 2500 Veranstaltungen statt, trotzdem weiß das eine interessierte Öffentlichkeit so gut wie überhaupt nicht. Auf der anderen Seite möchte ich dem Fachpublikum stärker vermitteln, dass dies im Grunde eine Messe der Messen ist: Wir haben eine Kinderbuchmesse, eine Comicbuchmesse, eine Wissenschaftsbuchmesse, eine Esoterikmesse. Wenn es uns gelingt, dieses Konzept der Messen in der Messe stärker herauszustellen, dann wird es auch für die Aussteller noch zwingender, sich daran zu beteiligen.

Das Gespräch führte Moritz Schuller

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