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Kultur: Ein Wald aus Licht

Die Galerie Arndt präsentiert den ZERO-Künstler Heinz Mack in einer großen Retrospektive.

Ein Tritt auf die Folie, der Abdruck des Bodens im hauchdünnen Metall – und ZERO als neue Sprache der Avantgarde war geboren. So erzählt es Heinz Mack, wenn er die Anfänge einer künstlerischen Idee der fünfziger Jahre rekapitulieren will, die ZERO als Gruppe zwar nur acht Jahre zusammenhielt, dafür aber bis heute nachwirkt.

Das klingt schwer nach Anekdote, beschreibt jedoch anschaulich, worum es der Düsseldorfer Gruppe von Mack, Otto Piene und Günther Uecker ging: Ihr Material kam aus dem Alltag, es liegt kein Geheimnis in der Verwendung von „Aluminium, Glas und Elektrizität“, wie es die Zutatenliste der Skulpturen bis heute charmant beschreibt. Stillen aber wollten die Künstler eine Sehnsucht, die sich aus dem ganz Großen speiste: dem Bedürfnis, das Licht und die Zeit in ihrer Arbeit einzufangen. Dafür zog es Mack sogar in die Wüste, wo er im silbernen Anzug Lichtlamellen und Spiegel installierte, die einen noch jetzt auf den fotografischen Dokumenten blenden.

Wenn Galerist Matthias Arndt ab heute einen neuen Showroom in Singapur betreibt und dort während der Kunstmesse Art Stage (24.–27. Januar) neben Werken von Lucio Fontana oder Yves Klein auch Mack und Piene zeigt, unterstreicht er damit einmal mehr die Bedeutung jener deutschen Künstler, die seit geraumer Zeit auch international anerkannt werden. In Berlin wiederum hat Arndt seine Räume komplett für Heinz Mack reserviert. Den bald 82-Jährigen präsentiert er hier als Maler chromatischer Abstraktionen und Bildhauer quer durch die Jahrzehnte. Manche Arbeiten haben das Atelier so gut wie noch nie verlassen und wirken, als habe Mack sie eben erst gemacht. Etwa das „Cabinet of Light Treasures“ von 1964 (Preis auf Anfrage). Eine Skulptur wie ein gläserner Kühlschrank, lange vor den klinischen Pillen- und Instrumentenschränken eines Damien Hirst entstanden. In der unterkühlten Atmosphäre dieser mannsgroßen Box ist das Ideenreservoir einer ganzen Generation aufgehoben: Spiegel und geprägtes oder durchbrochenes Metall, einiges davon in steter Bewegung, so dass sich die Objekte zu perpetuieren scheinen. „Seine Lichtreliefs von 1958“, formuliert es der Galerist treffend, „sehen aus, als wären sie aus der Zukunft zurückgekommen, um uns im Jahr 2012 zu besuchen.“

Manches wirkt tatsächlich, als sei es eben in dem repräsentativen Altbau mit Tanzsaal gelandet. „Prism Whirl“ (1960) zum Beispiel, wo sich hinter wellenförmigem Glas eine Silberrelief dreht und Macks Idee von der strukturierten Oberfläche in zahllosen Varianten als Endlosschleife präsentiert. Aus einem zweiten Objektkasten der sechziger Jahre schimmert hartes Neonlicht. Auch diese Röhre wird von einem Motor angetrieben, allerdings so langsam, dass man die Veränderungen durch das Glas mit seiner verzerrenden Oberflächenstruktur für eine Sinnestäuschung halten kann. Doch Stillstand ist kein Thema für Mack, mit Bewegungslosigkeit weiß seine Kunst nichts anzufangen. Wenn sie, wie im Fall von „Spiegelwand für Licht und Bewegung“ (1960/96) nicht elektrifiziert ist, dann bietet selbst die statische Skulptur so viele dynamische Ansichten, dass man mit jeder Bewegung durch den Raum eine andere Variante zu sehen bekommt.

Im besten Fall reicht die Wirkung aber weit über das eigentliche Objekt hinaus. Der „Kleine Lichtwald“ im Kasten von 1959/60 ist solch ein Exempel, das verblüffend simpel aus schmalen Aluminiumstreifen und einer Windmaschine besteht. Umso mehr faszinieren die Effekte im Raum, wo an den Wänden feine, nervöse Zeichnungen entstehen, die nach wenigen Sekunden schon wieder Vergangenheit sind. Als Künstlergruppe schuf ZERO zu den Eröffnungen ganze Lichträume, um die kinetische Kunst für den Betrachter erfahrbar zu machen.

Verglichen damit wirkt Macks Leinwandmalerei geradezu statisch. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – der Künstler erneut die Sonne zum Vorbild nimmt und ihr Lichtspektrum in Farbfolgen aus tiefem Blau, sattem Rot und zartem Gelb zerlegt. Das Ergebnis sind harmonische Gemälde oder Blätter mit leuchtenden Formen aus Pastellkreide, die allerdings vor den innovativen Skulpturen zu verblassen drohen. Matthias Arndt tut dennoch gut daran, das Lebenswerk geschlossen und in allen Facetten (Preise: 20 000–270 000 Euro) zu präsentieren. Macks große Retrospektive in der Bundeskunsthalle Bonn vor zwei Jahren hatte es mit visueller Überwältigung durch immer neue dreidimensionale Objekte versucht – als Konsequenz war man nach kurzer Zeit in der Ausstellung übersättigt.

In der Galerie ist nun das Gegenteil der Fall. So tauchen bei den Arbeiten der Gegenwart wenige, ausgewählte Arbeiten auf. Ein dezentes „Silver relief Aluminume“ (2011) ist darunter, vor allem aber eine knapp drei Meter hohe, unterschiedlich behauene „Weiße Marmorstele“ von 2012, die mit dem frühen Werk nur wenig zu tun hat. Es sei denn, man erkennt im Lichtspiel auf der spiegelnden beziehungsweise matten Oberfläche die Parallelen. Dafür entkommt die Ausstellung „Works vom 1958–2012“ jener Gefahr, die bei einstigen Avantgardisten immer wieder droht: Auch Mack zitiert sich in späterer Zeit häufig selbst.

Galerie Arndt, Potsdamer Str. 96, bis 28.2., Di–Sa 11–18 Uhr

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