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Kultur: Ein, zwei Bier

Das Filmteam auf dem Podium

Das Schöne an Pressekonferenzen ist, dass man den Augenschein in Augenschein nehmen kann: den Unterschied zwischen Spiel und Sein. Gerade erst ist der Star einen Heldentod gestorben, jetzt sitzt er quicklebendig da. Die Hauptdarstellerin: eben noch blonde Locken, jetzt rote Kurzhaarfrisur. Und der bärtig zerknitterte George Clooney aus „Syriana“ erscheint frisch rasiert. Pressekonferenz ist Zauberstunde: Sind alle so wunderbar verwandelt.

Beim Pressegespräch zu „Sehnsucht“ ist das anders. Man spricht Berliner und Brandenburger Dialekt, wie im Film. Solche Töne gab es noch nie im Hyatt-Saal. „Ick konnte det nicht fassen“, sagt Hauptdarsteller Andreas Müller, „ick war bei der Freiwilligen Feuerwehr in Cottbus, dann sollte ick ein Casting machen – und jetzt sitzen wir hier.“ Regisseurin Valeska Grisebach ist Andreas Müller aufgefallen, als er sich die Schuhe zuband.

Aber nein, stellt Grisebach klar, ihre Laiendarsteller Andreas Müller, Ilka Welz und Anett Dornbusch spielen sich nicht selbst. Sie hat natürlich Recht – und wird doch mit jedem Satz, jeder Geste ihrer Schauspieler Lügen gestraft. „Das Einzige“, ergänzt Müller zum Beispiel, „was ich mit dem Markus gemeinsam habe, ist mein Beruf. Ick bin KFZ-Schlosser. Und halt auch in der Freiwilligen Feuerwehr.“ Aber auch die Nüchternheit in eigener Sache, den trockenen, lapidaren Ton hat er mit Markus gemeinsam. Und wenn Ilka Welz von ihrer Schüchternheit berichtet, als sie eigentlich nur ihren Freund zum Casting begleitete und dann selbst eine Hauptrolle bekam, tut sie dies mit der gleichen sympathischen Zurückhaltung wie ihre Ella in „Sehnsucht“. Pressekonferenz ist Lebenszauberstunde.

Valeska Grisebach ist redseliger als ihr Film. Man ahnt, wie sie um die Menschen und deren Wirklichkeit wirbt, damit die sich vor der Kamera offenbaren, ohne jeden Anflug von Voyeurismus. Sie spricht über ihre Liebe zu Brandenburg, über das Dorf Zühlen als Bühne für Altmodisches und Zeitloses, über ihr Bemühen um eine zurückhaltende Kamera, eine schlichte Kadrage. „Sehnsucht“, ein Wirklichkeitsmärchen in Umgangssprache.

War es nicht schwer, bestimmte Szenen zu spielen, will ein Journalist wissen? Der Alleintanz von Markus zum Beispiel. „Nee“, antwortet Andreas Müller, „mit ein, zwei Bierchen ging det schon.“ chp

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