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Kultur: Eine andere Art Dichter

Von Yassin Adnan

Wäre ich als Palästinenser geboren

dann erschiene ich als Vertreter einer Sache

und die Kritiker würden

ernsthaft nach einem tiefen Sinn

suchen

in meinen Gedichten

Sie würden in ihnen

nach den Kragen der Wunde forschen

und nach Lobpreisungen der Orange.

Suad bedeutete das Land

und Aischa die Erde

Umarmung würde zum Festhalten

am Gras der Sache

und den ganzen Tag im Bahnhofscafé

warten

hieße

Standfestigkeit angesichts der

Blockade.

Hätte die Sicherheit

in meinen Ansichten

(denen, die ich nicht bekannt gemacht habe)

etwas gefunden, das die Sicherheit

bedrohte

stolzierte ich jetzt einher

im Rang eines ehemaligen Gefangenen

Ich hätte den Anschein von Tiefe

selbst wenn ich

über Biersorten spräche

oder das Wetter

Der Solidarität würdig

zur Stunde des Wehgeschreis

und den Stunden der Klage

erhielte ich, vielleicht,

Asylrecht

in einer blonden Hauptstadt

Paris beispielsweise…

dort, wohin

meine Augen

und mein pechschwarzes Haar mich

locken

Mein intelligentes Schweigen

verbärge mein brüchiges Französisch

Ich würde

eine französische Jungfrau verführen

sie ohne Brautgeld entjungfern

und durch Unzucht zum Schwager Rimbauds.

Doch ich kam zu dir, Welt,

plötzlich wie ein Umsturz

trocken wie eine Todesanzeige.

Ich gelangte, Welt, zu dir einfach so

ohne passende Sache

und beinah ohne Anlass.

Ich kam ganz normal in einem

normalen Jahr

auf normale Weise

schrieb Gedichte

genau in der Farbe des Lebens

und noch niemand hat entdeckt

dass ich

eine andere Art Dichter bin.

Yassin Adnan, 1970 im marokkanischen Safi geboren, lebt als Journalist, Lyriker und Erzähler in Marrakesch. – Aus dem Arabischen von Christine Battermann.

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