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Kultur: „Eine Atmosphäre von Intensität“

Freitag findet die 5. „Venezianische Nacht“ statt – Ein Gespräch mit dem Gründer Wolfgang Hasleder

Herr Hasleder, gerade einmal zwei Wochen nach Ende der Musikfestspiele Sanssouci laden Sie am kommenden Freitag zur „Venezianischen Nacht“ in die Friedenskirche ein. Befürchten Sie nicht, dass der Potsdamer mittlerweile etwas satt ist, was die Alte Musik betrifft?

Da gibt es leider bestimmte Zwänge, denen wir unterworfen sind. Nach mittlerweile vier „Venezianischen Nächten“ versuchen wir unseren Termin nicht allzu zeitnah nach den Musikfestspielen zu legen, nicht direkt in die Sommerferien, auch nicht an dem Wochenende, an dem das Stadtwerkefest ist und auch nicht, wenn die Feuerwerkssinfonie stattfindet. Allein daran werden Sie schon erkennen, dass da viele Faktoren ineinander greifen. Und dann müssen wir uns auch immer nach den Terminen in der Friedenskirche richten.

Die erste „Venezianische Nacht“ vor fünf Jahren fand aber noch im September statt.

Dieser Termin ist sehr riskant. Die erste „Venezianische Nacht“ fand an einem 19. September statt und da war es schon so bitterkalt, dass ich das nicht noch einmal wiederholen möchte.

Was gab den Ausschlag für dieses „Fest der Alten Musik in Kirche, Atrium und Kreuzgang mit Lesungen, Barocktanz und Kulinarik“?

Angefangen hat es mit einer Inspiration. Als ich vor elf Jahren nach Potsdam kam, habe ich sehr interessiert die Arbeiten an der Orgel in der Friedenskirche beobachtet und mich auch intensiv mit diesen Instrumenten beschäftigt. Ich habe dann festgestellt, dass der Stimmton der Orgel, also die 440 Hertz, seit über 500 Jahren konstant auch der Stimmton in Venedig war und nicht, wie in anderen europäischen Metropolen des 17. und 18. Jahrhundert, schwankte zwischen 490 und 390 Hertz.

Allein am Stimmton lag es?

Nein, da ist dann noch das original venezianische Mosaik, aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts. Das war einfach atemberaubend, als ich es zum ersten Mal sah. Dann noch das ganze Areal um die Kirche mit dem Friedensteich, dem Atrium und dem Kreuzgang. Da hatte ich die Idee, dass dieser Ort einfach perfekt ist für eine solches „Fest der Alten Musik“ mit Eventcharakter, wie ich die „Venezianische Nacht“ nenne.

Eventcharakter? Das klingt schnell nach Bier und Bockwurst.

Nein, so ist das natürlich nicht gemeint. Es gibt nicht mehrere parallel stattfindende Konzerte. Und ich gebe zu, dass ich auch etwas verschnupft bin, wenn sich jemand während des Konzerts ein Glas Wein holt.

Sie erwarten also Respekt vor der Musik und den Musikern?

Ja, aber nicht im absoluten Sinne. Natürlich darf auch während der Konzerte Wein getrunken werden. Das gehört ja schließlich zum Konzept. Aber vor allem geht es darum, sich gemeinsam auf die Musik einzulassen, möglicherweise sogar etwas zu entdecken. Dass da ein Atmosphäre von Intensität entsteht.

Zu Ihrem Konzept, Herr Hasleder, gehört auch das umfangreiche Programm, das bis in die tiefe Nacht hinein dauern wird.

Das geht auf meine Studienzeit in Wien zurück, wo mich ganz besonders die Lange Nacht der Neuen Musik beeindruckt hat. Da wurde dann 14 Stunden lang Neue Musik im Konzerthaus aufgeführt. Da konnte man um 6 Uhr in der Frühe Ligetis „Requiem“ hören. Das ist schon ein faszinierendes Erlebnis. Hinzu kommt, dass es mich stört, dass viele Veranstaltungen „Nacht“ im Titel tragen, dann aber spätestens um 22.30 Uhr zu Ende sind.

Allein schon durch den Titel „Venezianische Nacht“ haben Sie sich ja eine Beschränkung ihres jährlichen Programms immer auch auf den Ort Venedig auferlegt. Befürchten Sie nicht, dass Ihnen hier irgendwann einmal die Ideen ausgehen?

Venedig ist hoffentlich ein unerschöpflicher, dramaturgischer Spielplatz. In der zweiten „Venezianischen Nacht“ hatte ich beispielsweise den deutschen Komponisten Georg Friedrich Händel, Heinrich Schütz, Johann Rosenmüller und Johann Georg Pisendel ihre italienischen Zeitgenossen Giovanni Legrenzi, Salomone Rossi und Antonio Vivaldi gegenüber gestellt. Wie haben sie sich beeinflusst? Sind sie sich vielleicht sogar begegnet? Diese möglichen oder vorhandenen Verbindungen aufzuzeigen, ist für schon ein schlüssiges Konzept für diese Veranstaltung.

Und in diesem Jahr haben Sie mit dem Thema „Von Venedig nach Versailles“ auf die städtischen Verbindungen gesetzt?

Ja, aber ich suche da schon gewisse Anknüpfungspunkts, wie beispielsweise Jubiläen. In diesem Jahr jährt sich zum 350. Mal der Geburtstag des französischen Komponisten André Campra. In dessen Werksverzeichnis habe ich viele Hinweise auf eine französische Venedig-Begeisterung gefunden. So hat Campra Ballettmusiken und Opern geschrieben, in denen venezianische Maskenbälle und das Leben rund um den Markusplatz zelebriert wurde. Dann habe ich weiter gesucht.

Und sind bei Ludwig XIV. gelandet?

Dort gab es in Versailles im 17. Jahrhundert sogar ein kleines Modell-Venedig. So hatte ich dann mein Thema.

Auch einen prächtigen Konfliktstoff, wie die Begegnung des berühmten venezianischen Opernkomponisten Francesco Cavalli und seines jungen französischen Rivalen Jean-Baptiste Lully anlässlich zur Hochzeit Ludwig XIV. zeigt.

Diese Konfrontation von Cavalli und Lully hat mich schon immer fasziniert. Cavalli ist nach dieser Begegnung mit Lully nach Venedig zurückgekehrt und hat nie wieder eine Oper komponiert. Denn für seine Oper „Xerxes“, die Cavalli für die Hochzeit Ludwig XIV. komponiert hatte, waren von Lully Ballette als Zwischenstücke geschrieben worden. Die wurden so begeistert aufgenommen, dass Cavalli bei den Franzosen durchfiel. Eigentlich eine schreckliche Geschichte.

Die Sie aber mit Ihrem Ensemble aufgreifen?

Ja, indem wir Ausschnitte aus diesem Gemeinschaftswerk von Cavalli und Lully spielen. Dabei werden wir in diesem Jahr nicht wie sonst von Schauspielern, sondern von zwei Barocktänzern aus Prag unterstützt. Was sich bei diesem Thema ja regelrecht anbietet. Daneben Musik von Giovanni Rovetta und Francois Couperin. Also die bekannte Mischung aus Musik, Tanz und Lesung. Im vergangenen Jahr gab es in den Pausen sehr lange Warteschlangen an den Cateringständen. Das soll in diesem Jahr nicht so sein. Aber bei einem solchen abwechslungsreichen und langen Programm ist natürlich wie immer ein gewisser Abenteueraspekt dabei.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Die „Venezianische Nacht“ findet am Freitag, dem 9. Juli, von 19 bis etwa 0.30 Uhr in der Friedenskirche Sanssouci statt. Eintrittskarten gibt es über die Webseite www.cammermusik.de für 26 (erm. 18) Euro zum Selbstausdrucken sowie an allen Vorverkaufsstellen.

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